Ich habe mich noch mal damit beschäftigt, wie "berühmt" das Ribblehead Viaduct im Speziellen und die Settle & Carlisle im Allgemeinen nun wirklich ist.
In der Yorkshire Post gibt es unter anderem den Artikel über den Bau des Ribblehead Viaducts und die temporären Arbeiterstädte, welche die Midland Railway entlang der Strecke nicht nur, aber eben auch, am Ribblehead Viaduct eingerichtet hat. https://www.yorkshirepost.co.uk/heritage...viaduct-1754646
Darin lautet der erste Satz:
Zitat Carrying the Settle to Carlisle line through Ribblesdale, it's one of the most iconic railway structures in the world in one of the most scenic locations.
"To be iconic" lässt sich mit "Kultstatus haben" übersetzen. Auch der Wikipediaartikel https://en.wikipedia.org/wiki/Ribblehead_Viaduct hat einen Abschnitt namens In popular culture. Dort heißt es:
Zitat Building the viaduct was the inspiration behind the ITV period drama series Jericho.[22] The viaduct appears in the 1970 film No Blade of Grass[23] and also in the 2012 film Sightseers.[24] A number of other films and television programmes have also included the viaduct.[25]
Auffallend ist, dass dieser Abschnitt recht kurz ist. Anmerkung 25 führt zu dieser Seite https://www.imdb.com/search/title/?locat...20England,%20UK, welche 11 Filme ausweist, die am Ribblehead Viaduct gefilmt wurden. Das ist nicht viel gemessen daran, dass die Aufnahme des Bahnbetriebs vor 150 Jahren gewesen ist.
Auffallend ist, dass zwar bekannte Lokomotiven wie 4472 Flying Scotsman auftauchen und in diesem Falle sogar die Liste anführen, dass aber auch Northern Class 158 sowie Freightliner Class 66 in der Liste auftauchen. Das wirft die Frage auf, was die Autoren denn als "Zug mit Kultstatus" werten.
Deswegen komme ich nach Sichtung der Indizien summa summarum zu dem Schluss, dass dem Ribblehead Viaduct sein Ruf vorauseilt und dessen Berühmtheit doch nicht ganz so ausgeprägt ist wie allgemein erzählt wird.
Wahrscheinlich ist die Settle & Carlisle line so eine Art Eisenbahn-Insider. Die Fahrt ist sehenswert und der Ribblehead Viaduct ein beliebtes Fotomotiv, aber man muss sich schon mit der Eisenbahnszene auseinandergesetzt haben, um die Strecke und die Brücke zu kennen. Der Glenfinnan Viaduct in Schottland zusammen mit dem darüber fahrenden Jacobite ist u.a. dank Harry-Potter-Marketing einer größeren Öffentlichkeit bekannt und zählt im Großbritannientourismus auch für Nicht-Eisenbahnfans als Sehenswürdigkeit. Damit ist der Glenfinnan Viaduct quasi eine Nr.-1-Attraktion, während sich der Ribblehead Viaduct auf einer langen Liste der Attraktionen zweiten Ranges wiederfindet. Beide liegen übrigens im Bogen, was wahrscheinlich der Grund ist, warum ich die beiden Viadukte nicht auseinanderhalten konnte.
Würde mich freuen, wenn ich Rückmeldung bekäme, ob das so passt oder ob ich völlig daneben liege.
Guten Tag, erstmal vielen herzlichen Dank für den Beitrag, die vielen Bilder und vor allem die geleistete Arbeit.Ich habe so einen viel besseren Eindruck von England und seiner Eisenbahn erhalten. Zum Thema Settle and Carlisle Railway gibt es ein sehr umfassendes Buch von O.S.Nock : The Settle and Carlisle Railway, a personal story of Britain`s most spectcular main line. Erschienen bei Patrick Stephens Limited, 1992, ISBN 1-85260-327-5. Wer sich für das Thema interessiert wird bestens,mit vielen Bildern,(Englisch) informiert. Viele Grüsse Henner
dankschön für das Lob und den Buchtipp. Das mit dem besseren Einblick war zugegebenermaßen Absicht, denn eine Eisenbahn ist ja immer auch für Land und Leute da und daher gehört ein Blick über den Tellerrand für mich immer mit dazu. Außerdem setze ich persönlich meinen Schwerpunkt auf Infrastruktur und Bahnbetrieb.
O. S. Nock ist ein guter Autor vieler bekannter britischer Eisenbahnbücher, den kann ich uneingeschränkt empfehlen. Leider ist sein Settle-Carlisle-Buch zurzeit außer Print: https://www.bookdepository.com/Settle-Ca...k/9781852603274
ich bin im September 2019 durch England und zum Schluss noch durch Wales gereist und habe in diesem Faden seitdem ausführlich (-st?) darüber berichtet, dabei immer wieder Fotos hochgeladen, und zwar nicht zu knapp. Ich war mit der Nacherzählung schon etwa zwei Drittel durch und an dem Tag angekommen, an dem ich mich abends mit @Yorkshire Lad getroffen hatte – gleichzeitig der Vorabend meiner Weiterreise nach Südwales.
Ich hatte dann im Juni 2020 (ja, ausführlich erzählen dauert seine Zeit) die Speicherkarte meiner 2019 verwendeten Kamera nicht mehr wiedergefunden. Deswegen hörte dieser Thread dann auf. Guess what – sich ein neues Portmonee anschaffen hilft; die Speicherkarte ist wieder aufgetaucht. Es sind auch alle Fotos noch vorhanden.
Nun überlege ich, einfach weiterzumachen. Problematisch ist, dass mittlerweile vier Jahre vergangen sind und meine Erinnerung dadurch bestimmt verfälscht ist. Ich werden kaum genauso weitererzählen können wie bisher, vielleicht funktioniert die Bilderserie aber auch mit weniger Erzählung? Ich weiß es nicht, was meint ihr?
Ich habe damals übrigens Whitby nicht besucht und deswegen etwas schlechtes Gewissen gehabt, weil ich ja in der Gegend gewesen bin. Mittlerweile habe ich aber auch andere Meinungen gehört, dass die heutige Bahnstrecke nach Whitby wirklich äußerst umwegbehaftet ist, wenn man aus Nordengland dorthin mit der Bahn fahren möchte und deswegen via Middlesborough fahren muss. Zudem gibt es wirklich wenig Fahrten von und nach Whitby, weswegen sich die Strecke nicht für eine Spontanbefahrung eignet. Für eine geplante Tagestour dagegen sollte dann aber die NYMR auch Betrieb machen... (dies hatte ich im Voraus nicht überprüft, und ich bin damals ohne Smartphone unterwegs gewesen).
Des weiteren sind die Bilder in diesem Thread alle noch mit einer alten Kamera entstanden – ich hatte mir für den Trip eine Canon EOS 1100D geliehen. Seitdem bin ich bei Canon geblieben, besitze inzwischen eine EOS 90D, mit der ich seit etwa 3 Jahren meine Eisenbahnfotos mache. Leider steht UK nicht auf der Liste der Orte, in denen ich seitdem richtigen Eisenbahnurlaub machen konnte, was hauptsächlich an der Pandemie lag, aber das wird schon noch.
Es regnet in Pontypridd am 30. September 2019. Die Sonne ist bereits untergegangen, aber die interessante Anordnung der beiden Richtungsbahnsteige auf leicht verschiedenen Höhen macht einen Besuch dieses Verzweigungsbahnhofs auch am Abend interessant.
Unmittelbar südlich folgt der Verzweigungsbahnhof Hellifield. Dieser ist von der Midland Railway großzügig ausgebaut worden. Davon ist auch noch eine Menge zu sehrn, auch wenn das Verkehrsaufkommen heutzutage viel geringer ist. Schließlich war die Settle & Carlisle Line die Hauptstrecke der Midland Railway von England nach Schottland. Nach Südosten führt die auch heute noch betriebene Strecke über Skipton nach Leeds, und somit in den gesamten Nordosten Englands. Die andere Strecke führt über Clitheroe nach Blackburn, von wo weite Teile des Nordwestens Englands erreichbar sind, inklusive Liverpool, Manchester und Blackpool. Diese Strecke wird zurzeit nur im Güterverkehr befahren, wobei es unter der Marke DalesRail bis Ende 2022 jeweils an Sommersonntagen einen Zug pro Richtung als Ausflugszug, betrieben von Northern, gegeben hat. Langfristpläne sehen hier wieder regelmäßigen Personenverkehr vor, jedoch ohne konkrete Pläne.
Das erste, was man von Hellifield bei Einfahrt von Norden zu Gesicht bekommt, sind abgestellte Rail-Express-Systems-Wagen, insbesondere BR Mark 1:
Rail Express Systems (RES) war ein Sektor, der 1982 neben den anderen Sektoren wie Intercity, Railfreight, Regional Railways usw. gegründet wurde, um den Bahnverkehr für das General Post Office (GPO, besser bekannt unter seiner Marke Royal Mail) zu übernehmen. Es gab dedizierte Wagen in RES-Lackierung in rot und schwarz, mit vier blauen Rechtecken, welche Pakete symbolisieren sollen, für den Paketdienst sowie Wagen in Royal-Mail-Lackierung für die Briefpost. Letztere ging relativ schnell an die Straße verloren, weil mechanische Briefsortierung in Postämtern effizienter ist als händische Sortierung an Bord eines Zuges. Die Paketpost lief zumindest noch bis 2003 unter EWS nach der Privatisierung.
Die Wagen auf dem oberen Bild sind umgebaute Mk1 BG (genannt Super-BG) sowie Mk1 GUV (sogenannte Super-GUV). Die Umbauten beinhalteten im Wesentlichen den Ersatz der alten Türen durch Rolläden. Der Wagen unten ist ein Umbau mit Steuerabteil, sogenannte Propelling Control Vehicle (PCV). Diese wurden zur Modernisierung des Paketverkehrs angeschafft, um schnell rückwärts in Ladestellen hineinfahren zu können. Interessanterweise handelt es sich nicht um vollwertige Steuerwagen, das heißt auf der Strecke fuhren die Züge immer Lok voraus.
An dieser Stelle ein Einwurf mit einem Fremdfoto: Zwischen 2019 und 2022 sind die Gleise, auf denen die RES-Wagen standen, offenbar zum Holzverlade-Gleis ausgebaut worden. Für die RES-Wagen ist ein neuer Schuppen gebaut worden. https://www.flickr.com/photos/12a_kingmo.../in/dateposted/
Was heutzutage noch übrig ist von der Midland-Railway-Architektur in Hellifield:
Der Gegenzug in Skipton. Jeder zweite Zug aus Leeds fährt nicht über die Settle & Carlisle Line weiter, sondern biegt an der Settle Junction Richtung Carnforth, Lancaster (an der West Coast Main Line) und Morecambe ab.
In Leeds habe ich diesmal nicht fotografiert, offenbar hatte ich knappen Anschluss an einen Voyager, mit dem ich eine Station nach Süden bis Wakefield Westgate gefahren bin. Diesen Voyager habe ich dort dann fotografieren können.
Inzwischen war Regenwetter, und das kam mir gar nicht gelegen, weil ich am anderen Ende der Altstadt gelegenen Bahnhof Wakefield Kirkgate auch noch einen Besuch abstatten wollte. Doch zunächst fiel mir die große neugebaute Fußgängerbrücke auf, mit Fahrstuhl.
Auch spannend finde ich, wofür der Platz nach Aufgabe des zweiten Durchfahr-Gleises genutzt wird. Es gab 2019 keine hier ohne Halt durchfahrenden Personenzüge.
Dann kam ein LNER Azuma aus Leeds hinterhergefahren. Zu dieser Zeit setzte Northern noch Class 321 und 322 ein, ein solcher ist im Hintergrund abgestellt. Eigentlich pendelten diese immer zwischen Leeds und Doncaster hin und her, deswegen ist dies schätze ich mal ein Ersatzzug, der notfalls einspringen kann, denn Wakefield Westgate ist etwa in der Mitte dieser Strecke.
Aus dem Ortskern von Wakefield habe ich auf dem Hinweg nur dieses eine Foto geschossen. Ich erinnere mich dunkel, wegen starkem Regen viel Zeit in einem Einkaufszentrum verbracht zu haben, welches mir v.a. durch erheblichen Leerstand in Erinnerung blieb.
Der Bahnhof Wakefield Kirkgate ist anders als Westgate offenbar nicht modernisiert worden. Die Gleisanlagen sind hier auch eher auf den Güterverkehr ausgelegt.
Ein einzelner Class 153 nach Huddersfield kam vorbei.
Viel Verkehr war hier nicht, und es kam kein Güterzug. Ich konnte mich glücklich schätzen, einen der täglich vier Fahrten von Grand Central zwischen London Kings Cross und Bradfort zu erwischen.
Dann ging es zurück durch die Innenstadt zum Bahnhof Wakefield Westgate. Diesmal hatte der Regen aufgehört, und das Zwielicht gab der Wakefield Cathedral besondere Lichtverhältnisse. Ich glaube, in UK ist für wetterbedingtes Zwielicht auch der Germanismus "Gotterdammerung" in Gebrauch.
Als Modellbahner sind mir auf dem Weg zum Westgate die dort nach Norden abzweigenden kleinen Straßen aufgefallen. Hier stehen bzw. standen (Weltkriegsschäden? Das konnte ich nicht herausfinden) die typisch britischen Terraces, also Reihenhäuser, hier in der Ausführung ohne Gärten. Man sieht jedoch nur den Anfang einer Reihenhaussiedlung, denn dort, wo die Autos parken, ist die gesamte Häuserzeile weg. Man sieht die Rückwände der Reihenhäuser der Nachbarstraße. Es muss sehr eng und dunkel gewesen sein in der Gasse zwischen diesen Hausrückwänden.
Der Grund für die Anlage von Gassen zwischen Terraces war die zunächst fehlende Wasser- und Abwasseranbindung. Wer sich für das Eisenbahn-Ladegut "Night Soil" interessiet, hier gibt es einen guten Artikel darüber: https://www.igg.org.uk/gansg/00-app1/water.htm (Nase zuhalten beim Lesen!)
Zurück am Westgate, ein Platz direkt vor dem gleichnamigen Bahnhof. Die wie gewürfelt aussehenden Hausformen haben meine Aufmerksamkeit erregt, genauso wie die gepflegt wirkende Eisenbahnbrücke im Hintergrund.
Ich mache hier mal eine Cut, der Beitrag ist eh schon sehr lang. Nach ein paar Abendfotos aus Doncaster bin ich am nächsten Tag nach Cardiff via Birmingham New Street gefahren.