Moderne Modellumsetzungen von Tenderloks nach LNER-Typen sind ein rares Gut. Da es mir die Loks der Klasse J50 irgendwie angetan haben, traf es sich gut, dass Hornby uns vor einiger Zeit mit einer ansprechenden Neuentwicklung dieses Typs beglückte.
LNER J50 no. 585, Hornby R3405
Die J50 ist eine Tenderlokomotive der Bauart C n2-t mit Innenzylindern und Innensteuerung. Sie war eine Modifikation der seit 1913 von der Great Northern Railways beschafften J23-Klasse mit etwas größeren Kesseln. Der Entwurf der GNR J23 (LNER J50/51) stammt von Nigel Gresley und damit aus derselben Feder wie die Pacifics der Klassen A3 und A4.
Zwischen 1922 und 1939 wurden insgesamt 72 Maschinen gebaut, von denen 52 nach dem Grouping gebaut wurden und dem kleineren Lichtraumprofil der LNER entsprachen. Nach anfänglichen Versuchen mit Überhitzer blieb man mangels nennenswerter Ersparnis bei der Nassdampf-Ausführung (ähnlich wie Preußen bei der T 13 bei der Naßdampf-Variante blieb und von der Beschaffung der Heißdampf-T 13.1 in größeren Stückzahlen absah).
von achtern...
Die J50 wurde für den Güterzugdienst auf kürzeren Strecken und als Rangierlok konzipiert. Ihr Einsatzbereich umfasste Zechen- und Industrieanschlüsse, Rangier- und Schiebedienst. In den Zwanziger und Dreißiger Jahren sah man sie auch im Personenzugdienst auf Nebenbahnen, Verschiebedienst und vor allem der Anschluss von Bergwerken blieb jedoch die Hauptaufgabe. Die Maschinen wurden im Rahmen der Verstaatlichung 1948 ausnahmslos durch British Railways übernommen. Mit der Anlieferung von Diesel-Rangierloks begannen 1958 die Ausmusterungen, die letzte J50 schied 1965 aus. Es handelt sich hier um eine ausgestorbene Spezies; keine hat überlebt.
Profilansicht.
Das Modell ist eine Neukonstruktion von 2015 und stellt eine der bereits für die LNER gebauten 52 Maschinen mit kleinerem Lichtraumprofil dar. Die hier vorgestellte Ausführung der no. 585 in LNER unlined black entspricht der Farbgebung der späten Zwanziger Jahre bis 1946 - danach erhielten die J 50 vierstellige Betriebsnummern aus dem Nummerbereich 88XX.
Die Umsetzung weiß zu gefallen - die (okay, extrem komplizierte) Farbgebung ist makellos seidenmatt, die Bedruckung gestochen scharf. Alle Handläufe und Griffstangen sind angesetzt. Kuppelstangen und Laufflächen der Räder sind brüniert, die Radsterne bestehen aus Kunststoff. Das Führerhaus ist bis zum Boden frei - bei Tenderloks auch nicht selbstverständlich.
In technischer Hinsicht zeigt die Konstruktion sehr gute Ansätze: 5-poliger Motor, der aussieht wie die kleinere Ausführung des bekannten Roco-5-polers, Schwungmasse, Schneckengetriebe. Angetrieben wird die mittlere Achse des Modells, die die beiden anderen Achsen über geteilte (!) Kuppelstangen mitnimmt, und nicht etwa die erste oder letzte Achse. Die Achsen laufen in Messinglagern, allerdings sind alle Achsen starr im Rahmen (der ist natürlich aus Metallguss) gelagert.
Die Fahreigenschaften sind - nach Beseitigung eines Fertigungsmangels - hervorragend. Der Motor setzt sich bei sehr geringer Stromstärke gleichmäßig in Bewegung und dreht sehr leise und gleichmäßig hoch - das Getriebe arbeitet fast geräuschlos. Mit dem Gewicht von 267 Gramm, allerdings ohne Haftreifen, ist eine ausreichende Zugkraft für vorbildgerechte kurze bis mittellange Güterzüge vorhanden. Die Stromabnahme ist bei sauber verlegten Gleisen gut, besser wäre jedoch bei einer Rangierlok eine gefederte Achse, oder - noch besser - ein Kippfahrwerk.
Das Modell verfügt über Kupplungsaufnahmen nach NEM 362 ohne Kulissenführung, und weist, wie auf der Insel üblich, keine Beleuchtung auf.
Bronzebleche unter den Achslagern "senken" die Treibachse auf das Gleis.
Mein Exemplar lief "out of the box" nicht besonders gut - auch nach längerem Einlaufen lief das Maschinchen zuckend und ruckelnd. Das konnte natürlich auf keinen Fall toleriert werden.
Also der Ursache auf den Grund gegangen: in umfangreichen Untersuchungen und Fahrversuchen stellte sich heraus, dass mein Modell einen Fertigungsmangel aufwies: die angetriebene mittlere Achse berührt das Gleis nicht, da die Aussparung im Fahrwerk zu tief ist. Nur um etwa 0,1 mm, aber die Achse dreht bei demontierten Kuppelstangen leer in der Luft. Dadurch erfolgt die gesamte Traktion über die Kuppelstangen, die die äußeren Radsätze antreiben. Dies wiederum führte zu dem zuckenden Fahrverhalten.
Die Lösung für die zu hoch liegende Treibachse ist die Unterfütterung der Lager mit 0,1 mm Bronzefederblech. Dadurch bekommen die angetriebenen Räder den nötigen Grip und das Maschinchen schnurrt wie ein Kätzchen.
Decoder in Position. Hier ein Zimo MX600R.
Das Modell verfügt über eine 8-polige Schnittstelle nach NEM 652. Die Demontage des mit drei Schrauben befestigten Gehäuses ist unkompliziert. Ich habe hier einen Zimo MX600 verwendet, der sehr gut mit dem Motor harmoniert.
danke für die ausführliche Vorstellung. Sehr hilfreich auch der Tipp zum Decoder und die Tabelle mit den CV-Werten.
Es ist jedoch schade, daß man bei einem fabrikneuen Modell noch nacharbeiten muß. Wie hast du die kleinen Zwischenlagen aus Bronzeblech befestigt, geklebt?
Hallo miteinander, habe mir die J50 in Ausführung der frühen BR mit der Nummer 68987 dank des großartigen Angebots aus Liverpool auch zugelegt und konnte hier im Nachhinein feststellen, daß mir die genannte "Störung" ersparrt geblieben ist. In Richtung Kessel voraus ist meine Maschine etwas zaghaft unterwegs (langsamer als Tender voraus im selben Regelwert); das wird sich aber sicher nach der Einfahrphase legen. Ansonsten schöne Rangiermaschine. Danke auch von mir für Deine Modellvorstellung Guardian.