Hallo,
mit dem Intercity Express Programme, einem staatlichen Förderprogramm von 2009 zur Beschaffung neuer Züge für den britischen Fernverkehr, sind die Hitachi-Züge der Class 800 bis 810 in Dienst gestellt worden. Diese können überwiegend sowohl unter Fahrdraht als auch mit Dieselmotor verkehren, jedoch nicht alle. Deswegen habe ich mir schon länger überlegt, mal eine Übersicht über die verschiedenen Bauarten zu erstellen. Dabei wähle ich nicht den Weg, für jede Class-Nummer in aufsteigender Reihenfolge die Eigenheiten aufzulisten, sondern ordne diese von rein elektrisch über Zweikraft bis zu Diesel nach dem Antriebskonzept. Zwei Dinge vorweg: Erstens, die reine Diesel-Variante kam über das Planungsstadium nie hinaus. Zweitens, es ist noch nicht bekannt, wie sich die Züge für die West Coast Main Line (Class 805 und 807) hier in diese Liste einsortieren, denn es sind noch keine technischen Details bekannt.
Übrigens sind alle Wagen 26 Meter lang, und damit die längsten jemals eingesetzten Wagen in UK.
Reine Elektrozüge: Class 803
Die einzige TOC, welche reine Elektrotriebzüge einsetzt, ist der Open-Access-Anbieter Lumo, eine Gesellschaft der First Group. Es gibt nur eine Strecke, von Edinburgh nach London, ohne Halt zwischen Newcastle und dem Londoner Speckgürtel. Da auch das Depot Craigentinny bei Edinburgh elektrisch erreichbar ist, haben die Züge keine zweite Stromversorgung. Anstelle der Dieselmotoren finden sich aber kleine Batterien, welche bei einem Stromausfall zumindest die Bordversorgung wie Licht und Klimaanlage versorgen können.
Es gibt 5 fünfteilige Züge, die allesamt einzeln eingesetzt werden.
Class 803 Azuma No. 803003 by John Evans, auf Flickr
Elektrozüge mit Hilfsdiesel: Class 801
Diese Züge werden ausschließlich von LNER eingesetzt. Es gibt sie als 5- und als 9-Teiler. Sie verfügen über einen einzelnen Dieselmotor der zuerst ausgelieferten Version (also die 560-kW-Variante) unter einem Wagen im Zug. Damit erreicht der Zug unter Dieselpower Schrittgeschwindigkeit, für Notfälle. Sie verkehren ausschließlich auf den elektrifizierten Strecken von LNER, also den beiden Stammrouten London – Leeds und London – Edinburgh, mit den jeweils nur einmal täglich bedienten Verlängerungsstrecken nach Bradford, Skipton und Glasgow.
Die 9-Teiler fahren meist zwischen London und Edinburgh, zwei zusammengekuppelte 5-Teiler in der Regel zwischen London und Leeds.
801209, Biggleswade (LNER) by Howard Pulling, auf Flickr
801102, Hitchin (LNER) by Howard Pulling, auf Flickr
Zweikraftzüge, die älteren: Class 800
Diese Züge gibt es sowohl als 5-Teiler als auch als 9-Teiler. Sie verkehren für GWR und LNER. Sie haben ungefähr unter jedem zweiten Wagen einen Dieselmotor mit je einer Leistung von 560 kW. Außerdem haben sie Kraftstofftanks in der kleineren Bauform.
Bei GWR kommen inzwischen in den Class 800 Dieselmotoren mit 700 kW zum Einsatz, um sie an die neueren Class 802 anzugleichen. Dies erfolgte nach der Einsicht, dass es im Dieselnetz der Great Western doch einige starke Steigungen gibt. Die Kraftstofftanks wurden aber nicht vergrößert. Die LNER Class 800 sind immer noch mit 560-kW-Dieselmotoren unterwegs.
Da die Great Western Main Line zwar von London nach Cardiff elektrifiziert wurde, die Elektrifizierung der nicht einmal 10 km langen Strecke von Bristol Parkway zum Hauptbahnhof von Bristol jedoch abgesagt wurde, müssen Züge von London nach Bristol für das letzte Stück den Dieselmotor anwerfen. Weitere klassische Einsatzgebiete der Class 800 sind die elektrifizierte Bahnstrecke von Swindon nach Chippenham und die anschließende Dieselstrecke nach Bath Spa, sowie die Hauptstrecke nach Cardiff (elektrifiziert) inklusive Verlängerung nach Südwestwales (Diesel). Bei LNER bedienen diese Züge die nicht elektrifizierten Stickstrecken der East Coast Main Line nach Lincoln, Hull, Harrogate, Middlesborough, Sunderland (technisch gesehen hängt hier die inkompatible Gleichstromfahrleitung der Tyne&Wear Metro), Aberdeen (diese Züge fahren auch über die nicht elektrifizierte Bahnstrecke von Leeds nach York) sowie Stirling und Inverness.
Die Class 800 sind auch die einzigen derzeit im Modell erhältlichen Züge aus dieser Baureihenfamilie, wobei 5-Teiler in GWR- und LNER-Lackierung in 00 von Hornby und in N von Kato produziert werden. Kato hat kürzlich einen 9-Teiler von LNER angekündigt.
Fairwood by Rob Fox, auf Flickr
Under the Wires by Mark Gowing, auf Flickr
LNER 800 104, North Queensferry by 212.249, auf Flickr
Zweikraftzüge, die neueren: Class 802
Entwickelt für die lange nicht elektrifizierte Strecke nach Cornwall, wurde aus den Class 800 die Class 802 abgeleitet, mit stärkeren 700-kW-Dieselmotoren und größeren Kraftstofftanks. Weiterhin sind ungefähr unter jedem zweiten Wagen ein Dieselmotor verbaut. Es gibt auch hier 9-Teiler und 5-Teiler.
Die Class 802 hat sich inzwischen zur Standardbauart entwickelt, denn nachdem sich die 5- und 9-Teiler bei GWR bewährt hatten, wurden die 5-Teiler auch von TransPennine Express und Hull Trains in Dienst gestellt. Die GWR-Züge fahren von London bis Bristol Parkway unter Fahrdraht und dann bis Penzance mit Diesel. Die Hull-Trains-Züge fahren auf der East Coast Main Line elektrisch und auf der Strecke nach Hull mit Diesel. Die TransPennine-Express-Züge fahren fast die gesamte Strecke von Liverpool bis Newcastle elektrisch, nur das mittlere Streckenstück von Manchester nach York ist nicht elektrifiziert.
Penzance station by 01-925, auf Flickr
802304 - Doncaster, South Yorkshire by Simon C-S, auf Flickr
802201 @ Inveresk by Alexander, auf Flickr
überwiegend Dieselzüge: Class 810
Die Midland Main Line sollte ursprünglich auch elektrifiziert werden. Zurzeit reicht der Fahrdraht nur bis Kettering, inklusive der kurzen Stichstrecke von Kettering nach Corby. Das bedeutet, der größte Teil der Midland Main Line ist unelektrifiziert.
Da die Bahnsteiggleise in London St Pancrass nicht verlängert werden können und die bisherigen Züge die Bahnsteige bereits auf gesamter Länge ausgenutzt haben, sind die Class 810 als 5-Teiler mit abweichender Wagenkastenlänge von 24m bestellt worden. Die Form der Zugnase ist auch etwas abgeändert worden.
Diese Züge haben vier, also fast unter jedem Wagen einen, gegenüber den vorgenannten Zügen verstärkte 735-kW-Dieselmotoren unter den Zügen. Dies führt zu der Besonderheit, dass die Endwagen zwar Dieselmotoren, aber keine Antriebsdrehgestelle haben.
Diese Züge sind noch nicht in Betrieb genommen worden.
Hitachi Newton Aycliffe by Tony Winward, auf Flickr
Weitere bestellte Züge sind die 5-teiligen Class 805 (Zweikrafttriebzüge) und die 7-teiligen Class 807 (Elektrotriebzüge) für die West Coast Main Line. Hier sind aber noch keine Details bekannt.
Viele Grüße
Felix