LNWR Improved Precedent class (Bachmann/Locomotion)
Letztes Jahr haben Locomotion und Rails of Sheffield bei Bachmann ein Modell der – im Vereinigten Königreich – aus den „Races to the North“ bekannten Improved Precedent class der London & North Western Railways (LNWR) entwickeln lassen. Mit genügend Nachlauf habe ich mich doch nochmal zum Erwerb eines Modells durchringen können. Da ich eine Maschine aus den Hochzeiten dieses Typs – also den 1890er Jahren – haben wollte, war die Version von Locomotion, also die Nr. 790 „Hardwicke“, alternativlos.
LNWR Improved Precedent class no. 790 “Hardwicke”, Bachmann 35-160NRM.
Diese klassisch viktorianische Schnellzuglok wurde im Jahre 1887 aus der Precedent class der LNWR entwickelt. Die Maschinen weisen eine für die 1870er und 1880er Jahre typische Bauart von Schnellzugloks auf: Achsfolge 1 B mit unterstütztem Stehkessel, nur ein rudimentäres Führerhaus, niedriger Umlauf, große Treib- und Kuppelräder, die weit in das Führerhaus ragen sowie ein Nassdampf-Zwillings-Triebwerk. Auch zeitgenössische preußische Maschinen wie die S 1 von 1884 haben große Ähnlichkeiten mit solchen Maschinen. Typisch britisch ist allerdings das innenliegende Triebwerk mit innenliegenden Zylindern und der glatte Kessel ohne sichtbare Nebenaggregate.
Für die Zeit wurden die Maschinen der Improved Precedent class, aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit „Jumbos“ genannt, zwischen 1887 und 1901 in sagenhaften 158 Stück beschafft. Es handelte sich dabei um Umbauten vorhandener Maschinen der Precedent und Newton classes – aus steuerlichen und buchhalterischen Gründen.
LNWR Improved Precedent class, Heizerseite.
Bestimmungsgemäß wurden die Jumbos vor Schnellzügen eingesetzt. Der bekannteste Einsatz ist sicherlich die Teilnahme in den Races to the North im Jahre 1895 (genau genommen die 2. Races to the North, die ersten fanden 1885-88 statt) zwischen London und Aberdeen statt. Die LNWR spielte mit der Caledonian Railway im „Team“ West Coast, also der Westküstenlinie über Birmingham und Carlisle nach Edinburgh und von dort aus nach Aberdeen. Hier konnte no. 790 „Hardwicke“ im August 1895 mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 67,1 mph (108 km/h) und einer Spitzengeschwindigkeit von stellenweise über 90 mph (ca. 145 km/h) einen Streckenrekord zwischen Crewe und Carlisle aufstellen.
Mit der Einführung schwererer und größerer Drehgestellwagen im Schnellzugverkehr sowie der Einführung deutlich größerer und leistungsfähigerer Loktypen sank der Stern der Improved Precedents. So wurde bereits 1905 die erste Maschine ausgemustert. Die LMS, in der die LNWR 1923 aufging, übernahm noch 76 Maschinen der Improved Precedent class, die inzwischen aber in alltäglicheren Diensten wie dem Personenzugdienst eingesetzt waren, und ordnete sie im neuen Nummernschema als 5004-5079 ein. 1934 schied mit no. 5001 Snowdon die letzte Improved Precedent class aus.
Modell
Das 2021 neu konstruierte Modell ist bzw. war neben der hier vorgestellten era 2/Museumsvariante als weitere era 2-Maschine der LNWR „Lucknow“, als schwarze LMS-Maschine „Talavera“ und im späteren crimson red der LMS als „Novelty“ erhältlich.
Die Vorbildmaschine wurde bereits 1873 von den Crewe Works als Precedent class no. 790 gebaut und im Jahre 1892 zur Improved Precedent umgebaut – das war quasi ein Neubau. Die Maschine hat eine bewegte Geschichte hinter sich, verunglückte sie doch kurz nach ihrem Rekord im August 1895 bereits im Oktober desselben Jahres bei einem Auffahrunfall in Preston schwer. Sie wurde jedoch wieder aufgebaut und wurde im Grouping als no. 5031 von der LMS übernommen. 1932 schied sie aus dem aktiven Dienst aus. Sie wurde jedoch nicht verschrottet, sondern aufbewahrt. Nach einer Zeit als statisches Ausstellungsstück wurde „Hardwicke“ 1974/75 aufgearbeitet und stand zwischen 1975 und 1982 wieder unter Dampf. Seitdem ist sie statisches Ausstellungsstück, zunächst im National Railway Museum in York, danach im Locomotion in Shildon.
LNWR no. 790 "Hardwicke" im National Railway Museum in York, August 2008
Details & Finish
Das Finish der „Hardwicke“ ist ausgesprochen gut getroffen - die Lackierung ist in sattem, mehr seidigen als matten Schwarz gehalten.
Die - wenigen – Anbauteile an der Lok sind aus Metall und daher von geringer Materialstärke. Die Bedruckung ist scharf, Betriebsnummern und die gebogenen Fabrikschilder auf den Radkästen liegen als Messing-Ätzteile bei (hier natürlich montiert).
Profilansicht.
Fokus auf die Lok.
Der bei Lokomotiven mit den kurzen Führerhausdächern vollständig einsehbare Führerstand ist komplett farblich ausgestaltet. Die Proportionen des Vorbilds sind sehr gut getroffen.
Blick in den Führerstand, nur etwas überbelichtet
Der Lokteil besteht fast komplett aus Metall. Wie bei Bachmann meist, sind sehr schön filigrane Gussradsätze verbaut. Die Kuppelstangen sind aus Metall. Auch das Innentriebwerk unter dem Langkessel ist - von oben sichtbar - durchgestaltet.
Technik & Laufeigenschaften
In technischer Hinsicht ist die Metallbauweise der Lok hervorzuheben. Das Modell wiegt insgesamt 246 g, davon allein 189 die Lok. Davon profitiert der Antrieb in der Lok. Dennoch hat Bachmann serienmäßig Haftreifen auf die hintere Kuppelachse aufgezogen. Eine weitere Kuppelachse ohne Haftreifen liegt bei. Der optisch sehr schöne Tender besteht leider aus Kunststoff und ist m.E. zu leicht für eine sichere Stromabnahme, hier hätte ein Metallchassis und weiteres Gewicht gut getan. Die Lok-Tender-Verbindung besteht aus einem primitiven Blech, den ein Zapfen hält. Tenderseitig verfügt das Modell über eine Kurzkupplungskulisse, lokseitig ist nur ein NEM-Schacht ohne Kulissenführung vorhanden. Den habe ich komplett entfernt…
Im Tender ist eine 21-polige DSS. Ob nach NEM oder MKL, also verstärkte oder unverstärkte Ausgänge AUX 3/4 ist bei dem Modell egal, es gibt gar kein Licht…
Im Tenderboden ist bereits serienmäßig ein Lautsprecher 10x15 mm mit kleinem Resonanzkörper verbaut.
Die Kabelverbindung zwischen Lok und Tender wird durch vier Kabel und eine Ministecker im Tenderboden gewährleistet, eine fisselige Lösung, da die Kabel sich gern mit dem Bremsgestänge des Tenders rangeln.
Der Antrieb – ein Glockenankermotor ohne Schwungmasse und Schneckenantrieb auf die hintere Kuppelachse - läuft sehr leise und mit sehr guten Fahreigenschaften. Analog läuft der Motor bei sehr geringer Spannung an, allerdings mit bereits etwas höherer Geschwindigkeit. Digital angesteuert verwandelt sich das zu hervorragenden Kriecheigenschaften und einem weiten Regelbereich. Die Stromabnahme erfolgt durch die Kuppel- und die äußeren Tenderachsen. Leider wird die Vorlaufachse nicht zur Stromabnahme herangezogen – dabei ist diese gefedert, kippgelagert und hat das meiste Gewicht über sich, so dass sie die beste Stromabnahme aller Achsen an der Lok gewährleistet hätte.
Bei meinem Modell war leider ab Werk die Verbindung zwischen Lok und Tender durch mangelnden mechanischen Kontakt zwischen Lokchassis und Lokgehäuse nicht vorhanden. Ist mir durch Zufall bei Einbau und Testen eines Pufferspeichers aufgefallen.
Elektrische Verbindung Lokchassis-Lokgehäuse. Eines der beiden Kontaktbleche hatte mechanischen Kontakt, so dass der vordere Lokteil keine Verbindung zu Tender und Decoder hatte.
Da mögen manche über die Verschlechterung der Stromabnahme durch den Haftreifen auf der zweiten Kuppelachse lamentieren, wenn der ganze Lokteil keinen Strom abnimmt, ist der Haftreifen das geringste Problem.
Mit Haftreifen sind die Zugleistungen recht ordentlich – ohne habe ich getestet. Meine Hardwicke soll Expresszüge ziehen und nicht in der Vitrine verstauben, daher gilt: traction rules over purism.
Eine klassische englische Schnellzugmaschine aus viktorianischer Zeit.
Fazit
Mit der Improved Precedent class hat Bachmann eine klassische Victorian express loco optisch hervorragend umgesetzt und eine Lücke in den Sortimenten gefüllt. Das Modell weist digital sehr gute Fahreigenschaften und hat, mit Haftreifen, dank eines nachgerüsteten Pufferspeichers von 1130 µF trotz der sehr kurzen Stromabnahmebasis eine sehr gute Stromaufnahme. In technischer Hinsicht hätte Bachmann – jedenfalls bei dem Pricing – eine längere Stromabnahmebasis, Lok-Tender-Kurzkupplung mit integrierten Kabeln und ein Metallchassis für den Tender spendieren können. Dann wär’s ein Supermodell geworden.
Hallo Mark, huiuiui, da hast du offenbar bessere Erfahrungen gemacht als ich; ich hatte mir Lucknow vorbestellt. Ich liebe das Modell, es weist allerdings einige gravierende Mängel auf: - Die Fahreigenschaften im Analogbetrieb lassen sehr zu wünschen übrig. Das liegt allerdings wohl an der geringen Größe des Modells; dadurch konnte natürlich keine Schwungmasse eingebaut werden, wie du bereits erwähntest. Mit einem ordentlichen Decoder, ggf. mit Kondensator sollte die Sache behoben sein. Digitalbetrieb habe ich noch nicht ordentlich testen können, da ich bei der Bestellung eines Packens RailsofSheffield-Decoder ausgerechnet für dieses Modell einen ruckelnden Querschläger erwischt habe. - Die Heck-Puffer am Tender sind AUF den Schienenräumern angebracht, was dazu führt, dass die Puffer nach außen hin schräg stehen und bei mir sogar schon einmal abgefallen sind. Das werde ich noch nachbearbeiten müssen...
Ich kann leider im Moment keine Bilder davon machen, weil das Modell zuhause bei meinen Eltern und ich an der Uni bin; werden dann noch nachgereicht.