Dass ein neuer Hersteller (bzw. Konstrukteur) für Triebfahrzeuge auf dem Modellbahnmarkt vorstellt, geschieht nun wirklich nicht aller Tage. DJ (Dave Jones) Model ist so jemand. Daher war ich auf das Modell der kleinen B 1' gekuppelten Tenderloks der GWR-Klassen 48XX und 58XX als erste DJM-Modelle für mein Beuteschema sehr gespannt.
GWR 4825, 48XX class, DJM/Hatton's H1401
Für den leichten Nebenbahndienst vor allem in den dünn besiedelten Gebieten im englischen Südwesten entwickelte die Great Western noch 1932 Lokomotiven der Bauart B 1' n2-t. Die Maschinen stellen die finale Evolutionsstufe der seit der Einführung der 517 class im Jahre 1868 eingeführten und stetig weiter entwickelten B 1' Tenderloks dar. Aufgrund dessen weisen sie Konstruktionsprinzipien auf, die auf das 19. Jahrhundert zurückgehen und sehen so herrlich altertümlich aus (ja, die Reichsbahn-Einheitslok der Baureihe 71 ist etwa gleich alt...).
Lokführerseite im Profil - auch die GWR-Loks waren rechtsgesteuert
Die Maschinen hatten Innensteuerung und Innenzylinder, was zwar aufwendiger zu warten, der Laufruhe jedoch sehr zuträglich ist. Die Besonderheit bei der 48XX war die Ausrüstung für Wendezugsteuerung (Auto coaches), während die 58XX class über diese Einrichtung nicht verfügte. Damit war die GWR immerhin drei Jahre schneller als die Lübeck-Büchener - und die 48XX hatte für die nächsten Jahrzehnte eine Jobgarantie. Von den 48XX wurden 75 Stück, von der 58XX nur 20 Einheiten beschafft. Ab 1946 wurden die 48XX als 14XX class geführt und die Bezeichnung wurde von den British Railways übernommen. Bei der letzten 14XX erlosch das Feuer im Kassel im Jahre 1965, auf die Dienste der 58XX hatte man bereits seit 1958 verzichtet. Immerhin vier Maschinen der 14XX class sind museal erhalten, 1442 dampft munter durch Devon, zwei weitere erwarten die Aufarbeitung.
Und der Blick von achtern
Die 48XX ist das klassische Maschinchen für die englische ländliche Bimmelbahn. Eine solche Maschine mit ein oder zwei Auto coaches war für von den Dreißger Jahren bis in die frühen Sechziger typisch für rural branch lines in den West Countries.
Die hier dargestellte Ausführung ist die Ursprungsausführung von 1932, erkennbar am Schriftzug "Great Western" auf den Wasserbehältern. Ab 1934 fand das "Roundel" genannte GWR-Emblem Verwendung, das wiederum 1946 durch die Initialien "GWR" abgelöst wurde.
Hier ist das Messingschild der Betriebsnummer zu sehen. Die Führerstandstür lässt sich öffnen, der Führerstand ist bis zum Boden nachgebildet
Um es vorweg zu nehmen: die kleine 48XX ist eine Augenweide geworden. Die Propertionen sind stimmig, jede Griffstange und jede Leitung ist angesetzt und weist geringe Materialstärken auf. Radsätze und Kuppelstange sind aus Metall und lackiert. Das Farbfinish weist keinerlei Schwächen auf - das haben wir aus Fernost leider auch schon anders gesehen. Die Kupplungen stecken in NEM-Schächten ohne KK-Kulissen. Das Modell ist mit einer 6-poligen Digitalschnittstelle nach NEM 651 ausgestattet. Sehr schön ist der Zugang zur Schnittstelle gelöst: Die Rauchkammertür wird von zwei Magneten gehalten, dahinter befindet sich die Platine mit der DSS - einfach herausziehen, einstecken und das ganze wieder zurückschieben - schön! Natürlich passen in den kleinen Kessel nur Mini-Decoder à la ESU LoPi micro oder Zimo MX622.
Details der Rückseite - man beachte die filigranen Fenstergitter und die farblich gestalteten Kesselarmaturen
Um das Modell leichter akustisch zum Leben erwecken zu können, sind Verkabelung und Einbauplatz für einen kleinen sugar cube (Mini-Lautsprecher) vorhanden. Wie auf den britischen Inseln leider üblich, verfügt das Modell nicht über Licht.
Der Antrieb erfolgt über einen kleinen kernlosen Motor und Schneckengetriebe auf beide Kuppelachsen. Leider ist dort - oberhalb der Kuppelachsen - kaum Volumen, um Gewicht für entsprechende Traktion unterzubringen. Haftreifen sind nicht montiert. Die Stromaufnahme ist für drei Achsen gut: alle Achsen laufen in Metallbuchsen und nehmen zuverlässig Strom ab. Die Treibachse hat ein wenig Höhenspiel (ohne Federung). Das Fahrwerk wirkt insgesamt solide und gut konstruiert.
Bei den analogen Fahreigenschaften fühlte ich mich an die selige Minitrix - T 3 aus den Siebziger/Achtziger Jahren erinnert: unvermitteltes Lossprinten und eine Höchstgeschwindigkeit, die jedem ICE zur Ehre gereichen würde. Man fragt sich, warum hier keine andere Schneckenübersetzung gewählt wurde.
ABER: Digital und mit dem richtigen Decoder ändert sich das auf geradezu wundersame Weise. Mit den richtigen Einstellungen des hier verwendeten Zimo 622N läuft das Modell butterweich, extrem langsam und konstant an. Mit entsprechend (drastisch) reduzierter Spannung (CV 57) ergibt sich ein weiter Regelungsbereich mit sehr schönen Fahreigenschaften. Der Motor mag nicht jeden Decoder - mit einem vorher eingebauten ESU LoPi V4 micro konnte ich dem Modell das Ruckeln bei mittleren Geschwindigkeiten nicht völlig abgewöhnen. Andere Decoder habe ich nicht ausprobiert.
Hallo, danke für die Modellvorstellung, sehr schön - schade nur, dass die Fahreigenschaften analog nicht so toll sind, da würde man schon mehr erwarten - es wäre BTW auch wieder an der Zeit, eine neue Class 14/48xx in Spur N herauszubringen, denn das olle Dapol-Modell ist leider nicht mehr State of the Art
da möchte ich nun doch eine kleine Lanze für das Maschinchen von Dave Jones brechen, denn die Fahreigenschaften sind, bis auf die zu hohe Geschwindigkeit, sehr gut. Da ist kein Taumeln und kein Ruckeln, und da der Motor kaum Strom verbraucht lässt sich sehr leicht im Analogbetrieb auch eine transistorbasierte Spannungsreduktion einbauen. Danach fährt die Lok auch im langsamsten Bereich ohne Ruckeln.
Mir ist das wesentlich lieber, als das was ich mechanisch von den zeitgleich erstandenen, aber deutlich teureren Heljan Modellen der GWR Class 1366 und Class 1361 geboten bekomme. Diese sind mechanisch so steif aufgebaut, dass ihre schlechten Langsamfahreigenschaften den hervorragenden optischen Eindruck erheblich trüben.
Etwas verwundert hat mich allerdings die Wahl des Farbtons bei der DJ Models GWR 4825. Das Grün hebt sich deutlich von allen anderen GWR Modellen die ich habe ab, die etwas mehr ins Olive gehen.
Das finde ich aber weit weniger störend als schlechte Fahreigenschaften, denn auch beim großen Vorbild waren ja teilweise recht erhebliche Farbunterschiede zu erkennen.