Vor einigen Tagen habe ich einen neuen Bausatz begonnen. Vorbild ist die "County Tank" Class der Great Western Railway. Dabei handelt es sich um eine Tenderlok der Achsfolge 4-4-2 (oder auf deutsch 2'B 1'). Zur Unterscheidung: es gibt auch eine Variante dieser Lok mit Schlepptender, die wird dann nur als "County" Class bezeichnet.
Hersteller dieses Bausatzes ist "88D Models", der sich auf kleinere Loks der GWR und walisischer spezialisiert hat. Auch dieser Bausatz besteht vorwiegend aus Ätzteilen, allerdings in diesem Fall aus Neusilber. Das ist zwar durch seine Härte etwas schwieriger zu bearbeiten als Messing, ist aber dafür besser zu Löten. Des Weiteren liegen dem Bausatz Messinggussteile, als auch -und für mich neu- 3D-gedruckte Kunststoffteile bei (zum Beispiel für den Schlot, Bremsgestänge etc.).
Die Ätzplatinen sind von sehr guter Qualität und die Passgenauigkeit bisher sehr gut. Allerdings war das Drehgestell mit dem ich begonnen habe eine echte Fummelei, die mich eher an Origami erinnert hat. Dafür erhält man bei sorgfältiger Montage auch funktionsfähige Ausgleichhebel und damit eine Allradauflage.
Ich füge mal ein paar Bilder für einen ersten Eindruck bei. Bei Interesse folgt im Verlauf der Montage mehr...
die County Tanks waren von den 1910er bis in die 1930er Jahre die bevorzugten Lokomotiven im schweren Londoner Vorortverkehr. Zuvor kamen wie bei allen Pre-Grouping-Bahnen für diese Dienste 2-4-2T zum Einsatz, bei der GWR waren das die Birdcage-Loks. In den 1930ern wurden diese ersetzt durch die Large Prairies (6000 Class) mit Treibraddurchmesser 1981mm und natürlich einer angetriebenen Achse mehr. Rückblickend war es also beide Male eine Verbesserung der Konstruktion für die geplanten Dienste.
Hallo Torsten, hallo Felix (und selbstverständlich alle weiteren Mitleser),
vielen Dank für die Ergänzungen zur County Tank! Die (in der Tat sehr hohen) Treibräder stammen von Slaters, und konnten zusammen mit dem passenden Motor + Getriebe von ABC mit dem Bausatz erworben werden.
Der Bau des Modells schreitet voran. Mittlerweile habe ich den Rahmen fertiggestellt. Wie gesagt, die Teile sind sehr präzise geätzt und durch das "tab & slot" System sehr passgenau zusammenzufügen. Das ist natürlich insbesondere beim Bau des Rahmens wichtig, der ja rechtwinklig und verwindungsfrei gebaut werden muss, um später auch vernünftige Laufeigenschaften zu erzielen. Dabei hilft auch, dass die Teile, wie ebenfalls erwähnt, aus Neusilber bestehen. Das lässt sich wesentlich besser löten als Messing, dadurch kann man eine feinere Lötspitze verwenden und der Hitzeeintrag ist nicht so extrem. Dadurch dehnen sich die Bleche während des Lötvorgangs nicht so sehr aus.
Auf den Fotos ist u.a. auch der rechtsseitige Ausgleichhebel für die Treib- und Kuppelachse zu sehen. Das sorgt, wie auch beim Drehgestell für eine Allradauflage. Der Rahmen und die Abstandshalter bestehen aus 0,8mm starkem Neusilberblech, das an den sich verjüngenden Enden zurechtgebogen werden muss. Das ist durch die exakten Ätzlinien einfach zu bewerkstelligen. Als "Schablone" dienen der vordere und hintere "Spacer". Ist der Hauptrahmen fertig zusammengesetzt, werden noch Overlays aus 0,4mm "dickem" Neusilberblech aufgelötet, die die Nachbildungen der Niet- und Schraubenköpfe tragen.
Die Nachlaufachse ist als funktionierende Adamsachse ausgebildet. Hier muss sich später zeigen, ob sie etwas gefedert werden sollte.
So, der Rahmen ist fertiggestellt und zu meiner großen Erleichterung in der Tat rechtwinklig geblieben.
Als nächstes folgt der Zylinderblock, der die erste größere Herausforderung darstellt. Da muss nämlich das Blech für die Verkleidung nicht nur abgekantet, sondern in Form gebogen werden. Das ist bei (geschmeidigerem) Messing kein Problem, Neusilber ist da etwas "widerspenstiger". Na ja, man kann nicht alles haben
klasse wie es bei dir schon voran geht ... hast du den Radsatz vom Nachläufer brüniert / geschwärzt ? Und wie bekommst du anschließend die Lauffläche wieder blank ?
Ja, die Radsätze brüniere ich mit der Schnellbrünierung für Eisen und Stahl von Ballistol. Damit lassen sich die Radsätze von Slater's sehr gut behandeln. Das verhindert auch weitgehend das Rosten der Räder, die da doch ein wenig empfindlich sind. Gerade weil man ja beim Löten auch mit agressivem Flussmittel arbeitet. Die Laufflächen poliere ich zum Schluss mit einer im Bohrzwerg eingespannten Nylonbürste. Hat bisher immer gut funktioniert.
Sollte ich "Zeit und Muse" geht es schon bald weiter mit dem Baubericht. Allerdings bin ich gerade an einem Punkt der ersten Ernüchterung bezüglich der Passgenauigkeit von Teilen angelangt. Na ja, manchmal braucht man ja gewisse Herausforderungen.
bezüglich des Fahrwerks Deiner im Bau befindlichen County Class. Du hast hier eine Wipplagerung der beiden Kuppelachsen. Die Wippen sind seitlich an den Rahmenwangen angebracht. Damit sind am Fahrwerk schon einmal 2 Auflagerpunkte gegeben. Der 3. Auflagerpunkt ist der Drehzapfen des Vorlaufdrehgestells. Von der Statik her betrachtet ist die Lok damit ausgeglichen. Bleibt die Nachlaufachse. Um sie ebenfalls sauber in die kompensierte Statik des Fahrwerks einzufügen, entweder eine weitere Hebellage oder eine Federung. Wobei eine Federung wesentlich einfacher auszuführen ist.
vielen Dank für den Hinweis. Ja, ich denke dass die Nachlaufachse gefedert werden muss. Darauf wird in der Bauanleitung auch hingewiesen und es sollte einfach zu machen sein. Zur Stärke der Federung muss ich zu gegebener Zeit ein wenig rumprobieren.
Wie bereits erwähnt, ein wenig wurde ich beim weiteren Baufortschritt "ernüchtert". Passten die Ätzteile bisher nahezu perfekt, gab es Probleme bei den (gegossenen) Halterungen der Kreuzkopfgleitbahnen. Beim Messingguss muss man eben mit größeren Toleranzen rechnen, daher bevorzuge ich auch für diese, beim Vorbild massiven Teile eher Ätzteile die aus mehreren Lagen zusammengefügt werden - so wie das bei den Treib- und Kuppelstangen auch der Fall ist. Da die Halterungen am Ende aber ziemlich verdeckt liegen, sollte das zu verschmerzen sein. Meine Befürchtungen bezüglich des Formens der Zylinderbleche erwies sich als unbegründet. Das etwas stärker federnde Neusilberblech wird durch das vorsichtige(!) Glühen mit dem Lötbrenner deutlich geschmeidiger, so dass es um das skelettartig zusammengesetzte Grundgerüst des Zylinderblocks gefügt werden konnte. Beim Bearbeiten von Kreuzköpfen und Gleitbahnen lohnt sich am Ende die investierte Zeit. Das heißt, immer nur ein wenig feilen und ausprobieren, bis man ein schönes Gleiten erzielt, ohne dass die Kreuzköpfe wackeln "wie Lämmerschwänze".
Eine erste "Stellprobe" habe ich auch mal vorgenommen. Dabei zeigte sich, dass die aus drei Lagen zusammengesetzten Kuppelstangen passen und das Fahrwerk fast ohne zu hakeln rollt. Das ist ohne die Bohrungen für die Kuppelzapfen versäubert zu haben schon mal sehr beruhigend! Trotzdem werde ich die Treib- und Kuppelstangen durch aus Neusilber gefräste Teile von Premier Components ersetzen (Bill liefert dankenswerterweise noch nach EU) - rein aus Geschmacksgründen
Damit ist das Fahrwerk weitgehend fertiggestellt, die Details der Bremsanlage folgen zum Schluss. Weiter geht es mit dem Umlaufblech. Hierzu wird wieder "Origami"artig aus einem flachen Blech ein Grundgerüst gebogen, das eine rechtwinklige, stabile und weitgehend verwindungsfreie Plattform für das darauf aufzubauende Gehäuse bzw. den Kessel bildet. Das eigentliche Umlaufblech wird aus Ober- und Unterteil zusammengelötet und auf diesem Grundgerüst befestigt. Auch diese doch recht großflächigen Teile sind durch das ist das verwendete Neusilber sehr gut zu Löten - ich weiß, ich wiederhole mich, bin aber halt wirklich sehr angetan!
Weitere Bilder gibt es in der nächsten Folge. "Also schalten sie bald wieder ein..."