Stephenson “Rocket” der Liverpool & Manchester Railway (Hornby)
Voriges Jahr kündigte Hornby etwas überraschend ein neu konstruiertes Modell der „Rocket“ von George und Robert Stephenson mitsamt Zug der Liverpool & Manchester Railway an. Ein solcher Meilenstein der Eisenbahngeschichte darf natürlich nicht fehlen, und da ich wider Erwarten eines der Sets abbekommen habe, möchte ich dieses gern vorstellen.
Stephenson „Rocket“ mit Wagen der Liverpool & Manchester Railway. Hornby R3810.
Über das legendäre Eisenbahnrennen von Rainhill im Jahre 1829 und dessen Bedeutung für die Technik, die Industrialisierung und die Entwicklung der menschlichen Zivilisation haben sich schon unzählige Autoren über Generationen ausgelassen. Das sparen wir uns jetzt. Nur eines: die „Rocket“ gewann den Wettbewerb - neben grundlegenden Innovationen wie etwa dem direkten Antrieb auf die Treibräder oder Geschwindigkeitsrekorden in bislang unerreichten Dimensionen (50 km/h) – vor allem aufgrund einer Tatsache: sie funktionierte zuverlässig.
Da wir hier aber so ein bisschen technikaffin sind, skizziere ich ein paar der wichtigsten Innovationen, die seitdem in jeder Dampflok zu finden sind: • Das Blasrohr. Der Unterdruck aus den Zylindern facht das Feuer an. • Kessel bestand aus vielen schmalen Heizrohren statt eines dicken. • Feuerbüchse getrennt vom Langkessel und wasserberührt. • Antrieb durch direkte Kraftübertragung aus den Zylindern auf Treibräder (nicht mehr über Umlenkgestänge).
…und einmal das Set mit Blick auf die Wagen.
Modell der „Rocket“
Die Modelle des Sets sind eine aktuelle Neukonstruktion. Die Lokomotive weist einen Miniaturmotor auf, der – im Kessel liegend – über ein Schneckengetriebe die Treibräder antreibt. Die Stromabnahme erfolgt über alle Achsen – auch des Tenders – so dass das Modell gut über Weichenstraßen kommt.
Stephenson “Rocket“, 1829.
Die Fahreigenschaften sind für den Winzling gar nicht schlecht. Analog betrieben, fährt das Modell bei ca. 2 V mit einer gewissen Grundgeschwindigkeit an, läuft im niedrigen Geschwindigkeitsbereich leicht wellenförmig, um dann ganz ruhig zu laufen. Die Untersetzung ist in Ordnung. Digital dürfte da noch etwas herauszuholen sein.
Das Modell ist mit 44 g ein echtes Leichtgewicht. Ihren 3-Wagen-Zug vermag die „Rocket“ in der Ebene mühelos zu bewegen, bei richtigen Steigungen ist aber Schluss. Ich habe sie den Zug auf eine Steigung von ca. 1-1,5 % geschickt – dort hat sie ihr Züglein noch hochbekommen. Das reicht für den Betrieb in der Ebene. Wenn man die Zugkraft nachhaltig hätte steigern wollen, hätte man konstruktions- und vor allem fertigungsmäßig erheblich mehr Aufwand betreiben müssen: Laufachse über Zahnrad antreiben, mit Haftreifen belegen, das gesamte Modell aus Metall, ggf. stromführende Kupplungen zum ersten Wagen. Das hätte den avisierten Preisrahmen sicher gesprengt.
Das Modell ist mit einer 6-poligen DSS nach NEM 651 im Wasserfass auf dem Tender ausgestattet. Die Schnittstelle ist stehend eingebaut, und die Höhe reicht nicht für einen Decoder mit Direktstecker aus (außer vielleicht der D&H PD05), so dass hier ein Micro-Decoder mit Stecker an Kabeln zum Einsatz kommen sollte. Da das Modell – vorbildgerecht - nicht über Beleuchtung verfügt, ist die 6-polige DSS elektrisch ausreichend.
Der Zug weist sehr einfache Kupplungen durch Kettenimitationen aus Kunststoff auf. Diese sind recht hakelig zu montieren, erfüllen aber ihren Zweck, nämlich die Verbindung des Zuges im gezogenen Zustand. Da keine Kulissen einkonstruiert sind, ist der Pufferabstand leider ziemlich weit, und rangieren kann man damit natürlich nicht. Eine KK-Kulisse mit Normschacht nach H0/00-Norm wäre bei den kleinen Fahrzeugen auch zu groß. Aber es gibt ja die Spur N…
Wagen
Die Wagen: “Globe”.
“Renown”.
“Wellington”. General Wellington war Sieger der Schlacht von Waterloo 1815. Dieser definitive Sieg über Napoleon Bonaparte war 1829 erst 14 Jahre her…
Die Wagen der L & M können ihre direkte Abstammung von Postkutschen nicht verleugnen. In jener Pionierzeit der Eisenbahnen hatten sich Wagenklassen noch nicht eingebürgert – wer sich die Fahrt mit einem Dampfzug leisten könnte, musste ohnehin sehr begütert sein. In den 1830ern kamen erstmals günstigere Wagen auf – offene Wagen ohne Dach, die dann nochmals später als 3. Klasse bezeichnet wurden. Dächer für alle Wagenklassen kamen erst um 1850 auf…
Die Liverpool & Manchester Railway - 1830 eröffnet – war übrigens die erste Eisenbahn, auf der ausschließlich dampfgeführte Züge zum Einsatz kamen. Die L&M ging ab 1845 durch zahlreiche Fusionen in der London & North Western Railways auf und verschmolz damit in der Amalgamation in der London, Midland & Scottish (LMS).
Details & Finish
Das Zugset ist in einer gelb/schwarzen Farbgebung gehalten, die den seinerzeit schnellsten (Post-) Kutschenverbindungen entsprach und damit Assoziationen mit Geschwindigkeit und Rasanz hervorrufen sollte. Die Lackierung in Hornby-typisch sehr gut gemacht und weist keine Fehler auf.
Die “Rocket“ im Profil.
Die Proportionen sind sehr gut getroffen – auch der im Verhältnis zum Rest unglaublich hohe Schlot der Lok. Handläufe und Griffstangen weisen geringe Materialstärken auf. Das Fahrwerk ist gut gelungen und filigran. Die Radsätze der Lok sind aus lackiertem Kunststoff, die des Tenders aus feinem Metallguss. Die Radläufe eloxiert. Die unterschiedlichen Felgen- und Speichenstärken von Treib- und Laufachse sowie den Achsen des Tenders ist vorbildgerecht – die Radsterne der Lok bestanden aus Holz und waren daher dicker als die des Tenders, die aus Gusseisen bestanden. Das Gestänge besteht aus Kunststoff.
Fazit
Sehr hübsch gemachtes Zugset mit ordentlichen Fahreigenschaften und für den Vorführbetrieb ausreichenden Zugleistungen.
vielen Dank, toller Bericht über ein interessantes Modell.
Gehe ich recht in der Annahme, dass der Schlot weit über das britische Lichtraumprofil hinausragt?
Die 6-polige Schnittstelle im Tender ist ja sehr spannend. Dann ist dies wohl das erste Fahrzeug von Hornby mit einer 6-poligen Schnittstelle? Normalerweise verbaut Hornby nur 8-polige.
Kannst du mal ein Foto von den Wagenunterseiten machen? Mich würde interessieren, wie das Vorbild die Zug- und Druckkräfte in den Rahmen (gab es überhaupt einen?) eingeleitet hat.
Wie viele Kettenglieder haben die Kupplungsketten?
der Schlot ragt schon etwas über das Lichtraumprofil - etwa einen cm, denke ich.
Die 6-polige Schnittstelle ist den Abmessungen geschuldet - und 8-polige haben britische Dampflokmodelle mangels Licht nicht gebraucht. Da reichen üblicherweise vier Pole...
Wagenunterseite
"Kupplung"
Die Kupplung ist eine bogenförmige Kettenimitation, die an beiden Seiten eingehakt wird. Diese ist starr und lässt sich nicht kürzen, sie besteht nicht aus einzelnen Gliedern. Man könnte natürlich echte und v.a. kürzere Metallketten verwenden. Um eine KKK einzubauen wäre der Einbau von Spur H0-Kulissen mit kleineren N-Kupplungsaufnahmen anzudenken.
Hallo Mark, könntest Du bitte mal die Höhe- OK Gleis bis OK Schlot- messen. Das könnte der Knackpunkt bei meinen Brücke und Tunnel meiner Anlage werden.
Ist das Personal "stimmig" zum Modell?
PS: Im Eisenbahnmuseum York steht auch ein Nachbau. Ich erinnere mich das mir der Schlot auch sehr hoch vorkam. Werde mal im "Speicher" suchen.
beim zweiten Betrachten der Bilder fällt auf, dass der Schornstein der aufgeschnittenen innen stehenden Replika höher ist.
Auch andere Details unterscheiden sich: Die Farbe des Fasses auf dem Tender sowie die Details des Treibrads (wo sind die Nieten der fahrbereiten Replika?).
Zitat von Rhabe im Beitrag #7Hallo Mark, könntest Du bitte mal die Höhe- OK Gleis bis OK Schlot- messen. Das könnte der Knackpunkt bei meinen Brücke und Tunnel meiner Anlage werden.
Ist das Personal "stimmig" zum Modell?
Moin Ralf,
61 mm ab SOK - das ist ziemlich hoch...
Das Personal ist stimmig, wird bei mir aber erst nach Einbau des Decoders montiert.
Digitalisierung - der Einbau ist problemlos, wenn man bei den Decodern etwas berücksichtigt: Decoder mit Direktstecker (ohne Kabel zwischen DSS und Decoder) passen nicht, egal wie klein. Hintergrund ist, dass die DSS selbst fast das gesamte Wasserfass quer ausfüllt. Da passt gerade noch ein Stecker.
Decoder, Schnittstelle, Stecker, alles im Wasserfass - drangvolle Enge. Die Kabel des hier verbauten Zimo MX617F mussten nicht gekürzt werden.
Die Langsamfahreigenschaften sind mit diesen Werten sehr schön - wenn das Modell denn in den niedrigen Geschwindigkeitsbereichen Strom bekommt. Das Modell ist mit 44g ein extremes Leichtgewicht. Bei sehr niedrigen Geschwindigkeiten hat man den Eindruck, dass das Modell den Kontakt aufgrund mangelnder Masse verliert - etwas, was analog nicht auftritt, weil das Modell analog mit deutlich höherer Mindestgeschwindigkeit "antritt". Gefühlvolles nachjustieren der Stromabnahmebleche an Laufauchse und den Tenderachsen hat das etwas verbessert, aber noch nicht beseitigt. Auch sollten die Lager der Nachlaufachse gar nicht geölt werden, da das Öl auf der Achse zu viel Adhäsion erzeugt und die Nachlaufachse so bei sehr geringen Geschwindigkeiten bremst (blockiert). Ab mittleren Geschwindigkeiten läuft sie dann wieder mit.
Danke für dein Foto. Wenn man den blauen, weißen und gelben Draht entfernt, die anderen Kabel entsprechend kürzt, kommt man dann vielleicht noch einen kleinen Speicherkondensator mit in das Fass? Beste Grüße, Torsten