"Flying banana" - Streamlined Railcar der G.W.R. (dapol)
In den Dreißiger Jahren waren Fahrzeuge in Stromlinienform extrem angesagt - so auch im Vereinigten Königreich. Während LNER und LMS sich bei den stromlinienverkleideten Dampf-Schnellzugloks eine regelrechte battle (neusprech, zu deutsch: Wettbewerb) lieferten, hielt sich die Great Western vornehm zurück. Außer einer King class mit etwas aerodynamisch optimiertem Kessel passierte nichts - Mr. Collett hielt von solch neumodischem Kram wohl nichts. Ganz anders bei den Dieseltriebwagen. Im Jahre 1933 erwarb man einen Prototyp, den der Motorenhersteller AEC entwickelt und auf einer Motor Show ausgestellt hatte. Der Aufbau stammte von dem Bushersteller Park Royal.
GWR Streamlined Railcar no. 12, Dapol 4D-011-001
Auf Grundlage des Park Royal-Prototypen stellte man ab 1934 nacheinander drei Serien stromlinienförmiger Triebwagen in Dienst, deren Grundkonstruktion übereinstimmt, sich jedoch hinsichtlich Wagenkasten, Motoren, Inneneinrichtung usw. voneinander unterscheiden. Gemeinsam ist allen Serienfahrzeugen, dass sie mit je zwei AEC-Lkw-Motoren (gegenüber einem des Prototypen) mit dieselmechanischer Kraftübertragung ausgestattet waren.
Bis 1942 entstanden insgesamt 38 Einheiten. Die Maschinen der ersten beiden Serien hatten Motoren mit 97 kW (130 PS). Beide Serien weisen einen leicht bogenförmigen Wagenkasten und Dach auf, so dass die Triebwagen sehr schnell den Spitznamen "Flying banana" erhielten. Die erste Serie von drei Fahrzeugen stammte von Park Royal, die zweite von Gloucester Railway Carriage and Wagon Company, was optisch u.a. an der Form der Stirnseiten erkennbar ist. Die Triebwagen erreichten eine Spitzengeschwindigkeit von 80 mph (129 km/h), waren also durchaus schnellzugtauglich. Die dritte Serie ab 1940 - nunmehr im GWR-Werk in Swindon gebaut - wies etwas schwächere Motoren (78 kW/105 PS), einen rechteckigeren Wagenkasten, eine steilere Schnauze und weitere Entfeinerungen auf. Diese Triebwagen erreichten aufgrund der schwächeren Maschinen eine Höchstgeschwindigkeit von 70 mph (113 km/h) und waren eher für den Nebenbahndienst gedacht. Von beiden Bauarten gab es je einen reinen Pakettriebwagen (Hornby-Modell von 2007). Der Einsatz blieb auch nach der Verstaatlichung 1948 überwiegend auf die Western Region beschränkt und endete mit der Ausmusterung der letzten Exemplare im Jahre 1962. Drei Triebwagen haben überlebt; einer der ersten Serie im NRM York und zwei der dritten (K&ESR und GWR Society in Didcot).
Im Profil zeigt sich der bogenförmige Korpus.
Dapol hat sich letztes Jahr der mittleren Bauart, hergestellt in 14 Exemplaren bei Gloucester RCW, angenommen und ausgesprochen gelungen - und technisch grundsolide - umgesetzt. Es handelt sich hier also um echte "Flying bananas" und nicht um die entfeinerte Version von 1940.
Die hier vorgestellte Ausführung der no. 12 in chocolate/cream mit hellem Dach und GWR Roundel entspricht der zwischen Indienststellung und 1942 gültigen Beschriftung und Farbgebung. Die Dächer wurden, wie bei der Reichsbahn auch, ab Kriegsbeginn sukzessive dunkel gestrichen. Die Vorkriegsausführungen wiesen also (jedenfalls in sauberem Zustand) helle Dächer auf. Railcar no. 12 wurde 1936 von Gloucester RCW gebaut und verrichtete seinen Dienst bis 1957.
Die vordere Schnauze in der Nahaufnahme...
Die Farbgebung ist sehr ansprechend, die Farbtrennkanten zwischen chocolate und cream sind scharf, alle Zierlinien sind ohne Ausfransungen und parallel zu den Formen aufgedruckt. Der Kunststoff der großen Scheiben ist klar und schlierenfrei. Die Griffstangen an den Türen sind aus Draht.
...einmal das Heck...
Technisch weist das Modell einen 5-poligen Motor mit Schwungmasse auf, der über ein Schneckengetriebe beide Achsen des angetriebenen Drehgestells antreibt. Haftreifen sind nicht montiert - diese braucht es auch nicht. Das Modell ist mit 390 g für ein Triebwagenmodell ausgesprochen schwer und verfügt für die vorbildgerechten sehr kurzen Garnituren über ausreichend Zugkraft. Das Fahrwerk ist aus Metall, der Aufbau aus Kunststoff. Das Modell verfügt - für mich bei englischen Modellen ungewohnt, da ich von der Insel bislang nur unbeleuchtete Dampflokmodelle kannte - über Licht! Und zwar auf aktuellem Stand: mit Fahrtrichtung wechselnde Spitzenbeleuchtung mit rotem Schlusslicht, Führerstandsbeleuchtung im Frontführerstand, Innenbeleuchtung. Das ganze ist von innen über vier analoge Umschalter einstellbar und digital schaltbar. Das Modell ist mit einer 21-poligen MTC-Schnittstelle ausgestattet und weist einen - ordentlichen - Einbauraum für einen Lautsprecher auf. Dem Modell sind keine Kupplungen beigelegt und konstruktiv auch nicht vorgesehen - und das ist richtig, denn die Wagen dieser Serie verfügten schlicht nicht über Kupplungen für normale Wagen.
Die markante Schnauze der Gloucester RCW-Triebwagen - das ist hinten.
Die Fahreigenschaften sind bereits analog sehr gut. Sehr leise, nicht allzu stark überhöhte Endgeschwindigkeit, gute Langsamfahreigenschaften - und vor allem ohne die bei vielen Triebwagenmodellen auftretenden Resonanzen. Analog fährt das Modell bei ca. 2,5V spontan an - das wird mit einem passenden Decoder (ESU LoPi/Zimo/D&H) auf "loskriechen" zu regeln sein. Mein Modell hat noch keinen Decoder, daher an dieser Stelle noch nichts zum Einbau und den Fahreigenschaften.
...und einmal von Steuerbord.
Ein wunderbares Modell mit sehr guten Fahreigenschaften.
Eine sehr schöne und umfangreiche Modellvorstellung. Ein Fehler ist Dir jedoch unterlaufen. No.12 ist aus der zweiten von drei Serien.
Nos.1 bis 4 wurden 1934 mit Aufbauten von Park Royal gebaut. Diese Serie unterscheidet sich von der hier vorgestellten zweiten durch Schlagtüren statt Schiebetüren, eine steilere Front, größere Führerstandsfenster und dreiteilige Schiebefenster zur Belüftung mit einem aufgesetzten Rahmen. Weil No.4 ja in York steht, kann man entsprechende Fotos aus allen Richtungen gut vergleichen.
Nos.5 bis 17 stammen aus den Jahren 1935/1936 mit Aufbauten von GRCW. Dank Deiner umfassenden Beschreibung gibt es dazu kaum was zu sagen, außer dass die Toilette nur bei Nos.11 und 12 verbaut war und No.17 ein Pakettriebwagen war.
No.18 von 1937 nimmt eine Sonderrolle ein, da es technisch und vom Aufbau noch zur zweiten Serie von GRCW gehört, aber schon Teile der Nachfolgeserie vorweg nimmt. Insbesondere die Führerstandsfenster entsprechen bereits der dritten Serie, die Seitenschürze wurde verkleinert, ein Vorgelegegetriebe für mehr Zugkraft oder mehr Geschwindigkeit eingebaut und es wurden reguläre Zug- und Stoßeinrichtungen verbaut, um Güterwagen zu ziehen.
Nos.19 bis 38 baute die GWR dann 1940-1942 selbst. Die Aufbauten wurden konsequent entfeinert, neben den bei No.18 genannten Modifikationen verschwanden auch an der Frontschürze die letzten Rundungen hinter den Puffern, es wurden wieder die einfacher zu wartenden Schlagtüren verbaut. Auch diese Serie ist sehr bekannt und sollte Deine Beschreibung des Runden Modells nicht unnötig in den Hintergrund stellen, auch wenn man über die manchmal stattdessen "Flying Razorblades" genannten Einheiten aufgrund ihrer Variantenvielfalt stundenlang referieren könnte. Bemerkenswert sind vor allem Nos.20 bis 22 mit dem Vorgelegegetriebe von No.18, der zweite Paketwagen No.34 und die Doppeltriebwagen No.35/36 und 37/38 mit nur je einem Führerstand, Buffetbereich und der Möglichkeit, einen Mittelwagen einzustellen.
Viele Grüße Mirko
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vielen Dank für Deine vertiefenden Ergänzungen, die ich hinsichtlich der Park Royal-Wagen eingearbeitet habe. Da bei den Streamlined Railcars kaum je drei Fahrzeuge gleich gestaltet sind, habe ich mir im Interesse der Lesbarkeit und der Einführung auch für den Nicht-GWR-Enthusiasten erlaubt, das ganze stark vereinfacht darzustellen.
In der Tat ist auch innerhalb einer Serie kaum was baugleich geraten. Ich fand es nur wichtig, auf drei Serien hinzuweisen, da eben No.12 aus der zweiten stammt, von denen keiner erhalten ist und die erste mit No.4 in York deutlich anders aussieht. Da hatten wir, während die ersten Handmuster von Dapol gezeigt wurden, hier im Forum schon lebhafte Diskussionen über eine mögliche Fehlerhaftigkeit des Modells, weil sogar einer unserer GWR-Experten in die Falle mit den Park Royal und GRCW-Aufbauten getappt war und das Modell nicht aussieht wie der Wagen in York.
Viele Grüße Mirko
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wie sieht es denn bei Deinem Modell mit der Höhe der Spurkränze aus?
Meine Ausführung des #11 vom November letzten Jahres hatte da ja leider relativ hohe, was mir ein Freund inzwischen durch Abdrehen der Räder korrigieren konnte.
In der Tat ist auch innerhalb einer Serie kaum was baugleich geraten. Ich fand es nur wichtig, auf drei Serien hinzuweisen, da eben No.12 aus der zweiten stammt, von denen keiner erhalten ist und die erste mit No.4 in York deutlich anders aussieht. Da hatten wir, während die ersten Handmuster von Dapol gezeigt wurden, hier im Forum schon lebhafte Diskussionen über eine mögliche Fehlerhaftigkeit des Modells, weil sogar einer unserer GWR-Experten in die Falle mit den Park Royal und GRCW-Aufbauten getappt war und das Modell nicht aussieht wie der Wagen in York.
Viele Grüße Mirko
Hallo,
ich finde das Original nicht mehr im Forum. Ich habe schon ziemlich viel gesucht, kann es sein, dass diesem Forum Teile abhanden gekommen sind?
Larry Puckett The DCC Guide. Ein ehemaliger Autor des ModelRailroader hat ein Video veröffentlicht wo es um den Einbau eines Sounddecoders in die Flying Banana geht.