Hallo Freunde der englischen Eisenbahn! Bisher konnte mir noch keiner eine Eigenheit nahezu aller britischen Dampfloks erklären. Mir ist schon von Anfang an aufgefallen, dass die Entwässerungsrohre / Kondenswasserrohre aus dem Gehäuse der Arbeitszylinder nach vorne in Fahrtrichtung geführt sind und der Dampf somit entgegen der Fahrtrichtung ausgestoßen wird. Ein Modellbahnkollege mit Kenntnis der deutschen Dampfloks zeigte mir dazu am Beispiel der deutschen Baureihe 03, die je ein Sammelrohr unter den Gehäusen habt und der Ausstoß erfolgt nach unten bzw. hinten. Seine Vermutung zur britischen Ausführung war, dass so der austretende Dampf bzw. Wasser nicht die Wartungs- und Abschmierarbeiten bei betriebsbereiter Maschine behindert. Kling einleuchtend, aber gewiss weiß ich es nicht und vielleicht gibt es doch noch einen anderen Grund???
ich habe diese interessante Frage meinem englischen Modellbahnerfreund gestellt, der inzwischen 79 ist und die Dampflokzeit noch zum großen Teil aus eigener Erfahrung kennt. Er mailte mir die folgende Antwort:
"About the cylinder drain pipes, I'm sorry but I don't know. I have looked in many of my railway books and since the 1930's all outside cylinder loco's have had forward facing pipes. I will try to find out but it is not a detail that railway books talk about!"
Ich selbst habe in einem deutschen Lehrbuch über die Technik von Dampflokomotiven recherchiert, habe aber in dem Abschnitt über Zylinderhähne und Zylindersicherheitsventile keine Informationen gefunden, die zur Klärung unserer Frage beitragen könnten.
Ich versuche aber am Ball zu bleiben, da mich die Frage auch interessiert.
ich habe meinen schwiegervater gefragt. er meinte, es wäre ein patentrechtliches problem, da die deutschen loks mit der Heusinger-Patent-Technik ausgerüstet wären und da musste man das ganze anders gestalten. Er hat schöne Bilder aus GB (auch im neuen Hornby-Katalog S.48), da konnte man es noch besser sehen, als auf deinen Bildern. er will auch noch mal einen älteren Koll.fragen, ob es auch der "Rüchstrom-Effekt" (in längeren speziell gestalteten Rohren bildet sich ein Rückstau, um einen gewissen Restdruck immer im System zu haben. Das braucht man zB. bei den Zweitaktmotoren) eine Rolle spielt. ???
Da geht es um die Frage, weswegen bei deutschen Lokomotiven die Zylinderhähne offenbar dauernd lecken, auch wenn die Loks z.B. im Bahnhof (abfahrbereit) stehen. Ein Posting erwähnt, dass der Lokführer im Stillstand noch vor der Abfahrt versucht, vorbeugend Kondenswasser aus den (gegenüber der Fahrt relativ kalten) Zylindern abzulassen. Wenn das so Praxis ist, dann böten die nach vorne zeigenden Rohre bei britischen Loks den Vorteil, dass das Wasser-/ Dampf-Gemisch etwas weiter vorne austritt, wo es die Lokmannschaft und Bahnsteigpassagiere weniger stört und - wegen der langen wärmeabführenden Kupferrohre - schon weniger Dampf als Wasser enthält (zusätzliche Kondensation in den langen Rohren). Das ist natürlich auch nur eine Vermutung von mir, die ich euch aber nicht vorenthalten wollte.
bei meinem Besuch im National Railway Museum in York letztes Wochenende habe ich dort ganz einfach mal an einem information counter nachgefragt (wenn's dort keine Informationen gibt, wo dann?), was es mit den nach vorne abgebogenen Ablaufrohren der Zylinderhähne auf sich hat. Der freundliche ältere Herr war zunächst etwas erstaunt über solch eine Detailfrage und gab zu, es auch nicht genau zu wissen - er nahm aber stark an, dass man damit verhindern wollte, dass ein scharfer Strahl dort unter Umständen Gleisschotter wegpusten könne, falls die Rohre direkt und tief nach unten zeigten (er hatte selbst schon erlebt, wie stark ein solcher Strahl sein kann). Hört sich zumindestens plausibel an.
In dieser Frage bleibe ich noch am Ball, bis mir jemand eine Antwort gibt, die auf Gewissheit und nicht nur auf Vermutungen beruht.