kürzlich war es schließlich soweit und Hattons hat ihr erstes Eigenprojekt ausgeliefert: Die P Class der South Eastern and Chatham Railway. Inspiriert von Stroudleys Terriern sind sie ähnlich groß, um nicht zu sagen klein, jedoch mit deutlich gedrungeneren Proportionen. Zur Überforderung der Sammler, aber zugleich gegen die allgemeine Ungeduld, trägt Hattons bereits mit der ersten Auslieferung so gut wie allen markanten und wichtigen Lackierungen Rechnung und bringt zwölf Versionen zur Auslieferung. Um genau zu sein, wurden jedoch erst zehn auf den Markt gebracht, die beiden im ursprünglichen SECR Green werden voraussichtlich Ende Mai folgen.
Nachdem Peter aka Railfun vor wenigen Tagen bereits Nummer 325 in SR lined Maunsell Green vorgestellt hat, möchte ich euch Primrose in dezentem Schwarz (H4-P-011) und Bluebell in SECResker blauer Lackierung (H4-P-012) näher bringen. Beides sind eigene Lackierungen der Bluebell Railway und nicht historisch korrekt. Bilder der Nummer 178 im historischen SECR Green (H4-P-001), um das Bluebell-Trio zu vervollständigen, werde ich bei Erhalt nachliefern. In meiner Präsentation sind die Loks bereits nicht mehr mit ihren originalen Standard-Kupplungen ausgestattet, dazu später etwas mehr.
Vorweg soll bemerkt werden, dass Bluebell in ihrer Preservation Livery die beliebteste der zwölf Versionen ist. Nicht zu Unrecht, so ist ihr Farbkleid nicht nur zum Symbol für ihre Heimateisenbahn geworden, sondern auch wunderschön anzusehen. Über die Produktionszahlen sagt Hattons selbst nichts. Dennoch lässt sich anfügen, dass zu Beginn noch über 500 Exemplare von Bluebell auf Lager waren - obwohl auf Rang Eins der Vorbestellungen und die ersten Wochen nach Auslieferung durchgehend bei den „Best Sellern“ gelistet. Von anderen, weniger beliebten Versionen, waren es zum Teil nur zwischen 100 und 200. Man hat also die Stückzahlen bedarfsgerecht angepasst.
Trotz der unterschiedlichsten Bedruckungen, wie sie von der Komplexität und der Zahl der einzelnen Arbeitsschritte nicht unterschiedlicher sein können, kosten alle Versionen einheitlich 99 GBP. Die UVP versteht sich auch als Marktpreis, da die Modelle ausschließlich über Hattons selbst zu beziehen sind.
Die Proportionen und Linien wissen zu überzeugen, der Eindruck der echten Lokomotive wird gut übersetzt und durch den komplett runden Kessel mit Durchblick zwischen Rahmen und Kessel bleibt die Materialität bewahrt. Damit hat Hattons bereits bei ihrem ersten Projekt geschafft, woran sehr viele junge Hersteller scheitern.
Die Lackierungen sind vorbildgetreu in all ihren Facetten nachgebildet, die Drucke selbst sind scharf. Selbst die Radfelgen wurden bei Bluebell mit rotem Zierrat beglückt. Dennoch fransen bei meinem Exemplar leider die hellblauen Farbkanten an der Brake Pump aus und den Kessel ziert ein goldfarbener Klecks, wo er nicht hingehört. Leider kommen solche kleineren Fehler zumindest bei Bluebell des öfteren vor. An dem einfacheren Farbkleid von Primrose lassen sich keine Unsauberkeiten finden.
Ausgestattet sind die Modelle, wie man es auch erwartet, mit zahlreichen angesetzten Bauteilen. Im Vergleich zu Hornbys H Class fallen jedoch zwei Details auf, die man dort besser gelöst hat. So verfügt die H Class über eine zu öffnende Dachluke - nicht so die P Class - und einen verchromten Dampfdom; bei der P Class hat man sich für die üblichere Variante eines matten Goldüberzugs entschieden. Letzteres kann jedoch nicht als objektive Kritik gelten, so entspricht die persönliche Präferenz der eigenen Philosophie. Einen Diskurs über die Farbwahl für Maßstabsmodelle möchte ich an dieser Stelle jedoch nicht eröffnen. Nur soll gesagt werden, dass ein Vitrinensammler einfach andere Erwartungen an ein Modell hat, als ein Dioramen- oder Anlagenbauer. Dafür glänzt die P Class im wahrsten Sinne des Wortes mit einer aus Messing gedrehten Pfeife, während die H Class von Hornby nur eine aus Kunststoff aufweist.
Auch die Instrumente im Führerstand sind zahlreich angesetzt, freistehend und vielfarbig ausgeführt. Leider sind jedoch die Fenster nicht einzeln eingesetzt, stattdessen hat man sich für ein Bauteil je Seite entschieden, was von innen nicht zuletzt aufgrund der flächigen Verklebung einen etwas unschönen Eindruck ergibt. Positiv ist aber zu erwähnen, dass die Heckfenster vorbildgetreu sowohl ohne, als auch mit Vergitterung umgesetzt wurden. Auch hat man beide Höhen des Fahrerhauses vorbildgerecht umgesetzt. Bei meinen Exemplaren handelt sich sich jeweils um das niedrige Haus.
Die Puffer sind federnd ausgeführt und die Kupplungen in seitlich federnden NEM-Schächten montiert. Mittlerweile für mich ein sehr wichtiges Feature, so waren mir die unnötig großen Kuppelabstände bei RTR-OO-Modellen irgendwann leid. Ich experimentiere aktuell mit verschiedenen Kupplungen, hauptsächlich mit den "unechten" Kurzkupplungen, wie sie von Märklin bekannt sind. Selbst bei engen Gleisbögen lässt sich da viel herausholen.
Bei der P Class findet das kurze Pendant von Roco (40395) Einsatz, dabei Berühren die Puffer einander. Eigentlich würde ich in diesem Fall die höhenverstellbare Universalkupplung von Roco (40396) verwenden, jedoch verhindert das Bremsgestänge die Montage, weshalb ich letztlich gezwungen bin, von den gefederten Puffern im Zusammenspiel mit kurzen Kupplungen Gebrauch zu machen. Wichtig ist, dass in diesem Fall nicht die Profi-Kupplung von Märklin verwendet werden sollte, weil diese bei gleichem minimalen Kuppelabstand deutlich weniger Spiel hat. Das ist zwar prinzipiell sehr gut, in diesem Fall wird jedoch das Spiel der Kupplungen von Roco für ein weiches Kuppeln und Entkuppeln zweier Lokomotiven für eine Doppeltraktion benötigt.
Und damit ziehen die Lokomotiven alles bis R3, bei R2 muss vorher das Zusammenspiel mit den zu bewegenden Wagen getestet werden. Bei Interesse kann ich meine Kupplungspielerein auch an anderer Stelle weiter ausführen. Mit dem simplen Tauschen von Kupplungen lassen sich jedenfalls Wunder wirken, nicht nur bei großen Radien.
Die Fahreigenschaften sind auf modernstem Stand, selbst Schleichtempo und R2 Weichen mit isoliertem Herzstück meistern die kleinen Lokomotiven souverän. Während Primrose jedoch sofort bereits gute Fahreigenschaften aufwies, benötigte Bluebell etwas Liebe und Zeit. Zu Beginn blieb sie alle paar Zentimeter stehen, aber nach ein paar Stupsern, dem obligatorischen Einfahren und einem Tropfen Öl verbesserte es sich zunehmend und nun läuft sie genauso gut, wie ihre Schwester.
Ausrüsten lässt sich die P Class mit einem 6-Pin-Dekoder und einem Sugar Cube-Lautsprecher; das Gehäuse ist dabei sehr einfach abzunehmen, es wird mit vier Schrauben gehalten. Da meine Modelle jedoch analog bleiben werden, kann ich dazu nichts weiter sagen.
Ist die P Class ihr Geld wert? Absolut! Nicht nur, dass das Vorbild sehr markant und liebenswürdig ist, bis auf ein paar kleinere Kritikpunkte - dem größten für mich die Verarbeitung - handelt es sich dabei um ausgezeichnete Modelle, die sich keinesfalls verstecken müssen. Ich freue mich schon auf mein drittes Exemplar und hoffe auf weitere attraktive Lackierungen in Zukunft - ein paar vollkommen neue Möglichkeiten bieten sich da ja noch regelrecht an...
Wie versprochen - wenn auch etwas verspätet - nun ein paar Bilder von Nummer 178 in SECR lined Green (H4-P-001). Die komplexe Lackierung und Bedruckung ist in diesem Fall fehlerfrei ausgeführt.
Zu bemerken ist, dass dieses Modell eigentlich kein echtes Pre-Grouping-Modell ist, sondern den heutigen Erhaltungszustand der Lokomotive darstellt. Zu erkennen an den aus SR-Zeiten stammenden zylindrischen Puffern und den zusätzlichen, an der Rauchkammerfront seitlich angeordneten Lamp Irons. Jedoch liegen dem Modell zusätzlich vier spitz zulaufende Austauschpuffer ohne Linierung aus SECR-Zeiten bei.
Meine 178 wird jedoch ihre modernen Puffer behalten, so ergibt sich mit ihren beiden Schwestern ein schönes Bluebell-Trio.
Kürzlich ist auch ein erster SECR-Güterwagen eingetroffen. Hornby hat ihren offenen Güterwagen neue, fein detaillierte Fahrgestelle gegönnt. Während die 1923er Fünf- und Siebenplanker aufgrund ihrer übernommenen Aufbauten immer noch zu lang sind, hat man mit den aus dem 19. Jahrhundert stammenden Drei-, Vier- und Sechsplankern nun schön detaillierte und maßstabsgerechte Pre-Grouping-Wagen. Dass die Formen der Aufbauten schon recht betagt sind, fällt aufgrund der feinen Lackierung und Bedruckung kaum auf. Freilich ist der Wagen kein exaktes Abbild seines Vorbildes, sondern lediglich ein generischer Wagen nach RCH-Standard, auf dem man akribisch die Beschriftung des echten Wagens aufgetragen hat. Ein guter Kompromiss, um Pre-Grouping-Wagen wirtschaftlich umsetzbar zu gestalten. Und der Erfolg gibt Recht: Wer jetzt noch keinen dieser Wagen hat, ist gut beraten auf eine Neuauflage zu hoffen - am besten natürlich eine Neuauflage mit geänderter Betriebsnummer.
Leider hat die Nummer 178 im Gegensatz zu ihren beiden Schwestern bei der Bluebell keinen Namen erhalten. Zwar ist sie als „Pioneer II“ aus ihrer Industriezeit bei Bowaters bekannt, aber dieser Namen wird kaum mehr für sie benutzt, so ist dieser auch - meiner Meinung nach - nicht sonderlich schön. In einem Moment geistiger Unachtsamkeit habe ich meine Nummer 178 schließlich Klara genannt. Und wenn so ein Name erstmal vergeben ist, lässt sich das gewiss auch nicht mehr rückgängig machen...
Hallo Manuel, Dein Bericht hat mich begeistert Bin heute durch Zufall an eine Bluebell von Bachmann/Sondermodell Hattons gekommen Diese kommt mit ESU Sound Bin gespannt Vielleicht kann ich einen Kurzfilm Mal sehen Gruß Knockando