genau rechtzeitig zur letzten Ausstellung in Berlin ist die neue Dapol Class 22 "Baby Warship" 63xx eingetroffen. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, diese kurz vorzustellen.
Als erstes wie gewohnt ein paar Informationen zum Vorbild:
Die Baureihe D63xx (später Class 22) wurde zwischen 1959 bis 1962 von der North British Locomotive Company (NBL) in Glasgow gebaut. Die Serie bestand aus 58 Stück, gebaut in zwei Auflagen. Die erste Auflage (D6300 bis D6305) hatte ein Leistung von 1000 hp, die zweite (D6306 bis 6357) 1100 hp und einen anderen Dampfheizungskessel. Über die Bauzeit hinweg erlebten die Loks zahlreiche Modifikationen, wie andere Dachlüfter, Seitenfenster und Frontenden.
Die Loks waren alle in der Western Region von British Railways beheimatet. Die Zugleistungen waren meistens lokale Personen- oder Güterzüge, einige Loks wurden zum Schluß ihrer Karriere um London Paddington für Überführungsdienste verwendet. Die weiter unten vorgestellte D6315 wurde im Februar 1960 im Depot Plymouth Laira in Dienst gestellt und im November 1966 wurde sie nach Newton Abbot umbeheimatet. Nach einen kurzen Abstecher in Bristol Bath Road im September 1967 folgte im Mai 1968 die Rückkehr zu ihrem ersten Shed, Plymouth Laira. 1969 wurde sie zum ersten Mal für zwei Monate abgestellt. Danach war sie bis zum 22.5.1971 im Streckeneinsatz. Zum Schluß war sie in Marsh Junction abgestellt.
Anfangs hatten die "Baby Warships" große Probleme mit der Zuverlässigkeit, und die Loks gingen teilweise zur Ausbesserung zurück nach Glasgow. Ab 1961 wurde die Lage besser, doch der Hersteller North British Locomotive ging 1962 in Insolvenz.
Mit Auftauchen der leistungsstärkeren "Warships" und "Hymeks" (Class 42 und Class 35) wurden die Loks mehr auf untergeordenete Dienste abgedrängt. Nach der Insolvenz von NBL war zunehmend schwieriger, Ersatzteile zu bekommen, so daß einige Loks zur Ersatzteilgewinnung abgestellt wurden. Ab 1967 erfolgte die Ausmusterung, die D6315 wurde als eine der letzten Lok ihrer Baureihe am 28.1.1972 in Swindon zerlegt.
Unglücklicherweise blieb keine Lok erhalten, daher kann ich auch nicht mit einem selbst aufgenommenen Vorbildfoto dienen, sondern nur mit einem Link zum Western Region Archiv:
Zum Modell: Dapol hatte die Lok vor drei Jahren angekündigt, die Nachforschungen zum Vorbild haben doch mehr Zeit als geplant gekostet und sie wollten alles perfekt machen.
Die Lok hat die Nummer D6315 und ist eine Sonderedition von Kernow Models, Auflage 250 Stück in ab Werk gealterter Ausführung. Die Alterung ist recht gut gelungen und geht über den normalen grauen Farbschleier hinaus. So sind z.B. die Wischspuren der Scheibenwischer an den Frontscheiben nachgebildet.
Die Lok kommt in einer stabilen Box mit sehr ausführlicher Anleitung und Informationen zum Vorbild. Der Karton hat sehr große Ähnlichkeit mit Heljans Spur-OO Schachteln, ich denke daß auch die Dapol-OO-Loks aus derselben (chinesischen) Fabrik kommen.
Hier noch einmal ein Blick auf die Alterung mit Ablaufspuren und subtil gealterten Dachpaneelen. Die Schürzen unterhalb der Seitenwand liegen als seperate Teile bei und sind selbstverständlich ebenfalls gealtert. Die Lok verfügt als Besonderheit über Speichenradsätze! Das rechteckige Fabrikschild ist ein aufgesetztes Ätzteil.
Die zugerüstete Pufferbohle. Die Öffnungen sind relativ genau, die Teile müssen jedoch mit einem winzigen Tropfen Kleber gegen wieder herausfallen gesichert werden. Der NEM-Normschacht samt Aufnahme kann einfach abgeschraubt werden und stört somit nicht die Optik.
Die selbstklebenden Headcodes und Zurüsteile werden in praktischen Blisterverpackungen geliefert, eine deutlich bessere Lösung als die üblichen Tütchen, die einmal aufgerissen, nie wieder richtig zu verschließen sind.
Da die Abbildung in der Anleitung von Dapol recht klein und schwer zu entziffern ist, hier deshalb ein Bild, in welcher Reihenfolge die Zurüstteile von links nach rechts angebracht werden müssen. Das Kabel für die Mehrfachkupplung (2. von links) ist verkehrt gespritzt worden, die Stecker müssen nach hinten und nicht zur Seite zeigen. Entweder muß man das Teil vorsichtig erwärmen und nach hinten biegen oder aus dünnen Draht ein neues Kabel bauen. Das ist jedoch der einzige Fehler, den ich an der Lok gefunden habe.
Unten die ansteckbaren Schürzen. Beim Vorbild wurden sie in späteren Jahren teilweise oder ganz demontiert, um besseren Zugang zu den Aggregaten zu haben. Siehe dazu das Bild der D6320 im "Western Region Archiv" oder hier. Dapol hat freundlicherwiese auch den Bereich unter den Schürzen gravieren lassen, ein tolle Sache. Die Schürzen selber sind nummeriert und mit rechts/links gekennzeichnet. So kann man sie nicht verwechseln.
So sehen die "inneren Werte" aus. Links die 21-polige Schnittstelle, rechts ist der Platz (58x22x12mm) für einen großen Lautsprecher. Die kleine abgezogene Platine ist nicht etwa ein Decoder, sondern der Blindstecker! Dapol hat den Blindstecker mit Dioden, Widerständen, Spannungsreglern und einigen anderem wohl notwendigen Schnickschnack versehen. Auffällig ist die sorgfältige und saubere Drahtverlegung, das zeugt von Qualität. Das Gehäuse lässt sich durch Abspreizen vom Chassisblock relativ leicht abnehmen.
Hier die genaue Auflistung der technischen Spezifikation der Lok:
- fünfpoliger schräg genuteter Motor mit zweiteiliger Schwungmasse - Speichenradsätze in Messingbuchsen gelagert - Metallchassis - NEM-Schächte - abnehmbare Schürzen - Lichtwechsel rot/weiß mit LEDs - Lautsprechervorbeitung mit 21pol. MTC Schnittstelle - Führerstandsbeleuchtung mit LED digital einzeln schaltbar - geätzte Lüfter- und Dachgitter - Federpuffer - selbstklebende Headcodes - geätzte Fabrikschilder - seperat angesetzte Griffstangen, Scheibenwischer und Lampenhalter
Die Beleuchtung ist vorbildgerecht, es leuchtet nur der in Fahrtrichtung linke untere Scheinwerfer und auf der Rückseite eine untere rote Lampe. Die oberen beiden Lampen sind nur die sogenannten "marker lights" als Markierungslichter. Die unterschiedlichen Helligkeiten und der Farbton sind sehr gut getroffen.
Der beleuchtete Führerstand ist eingerichtet, leider ist durch die "dreckigen" Fenster wenig zu erkennen. Gut gelungen sind Fensterrahmen und Scheibenwischer. Man braucht übrigens einen 21pol. Decoder mit vier Funktionen, um die Führerstände seperat zu schalten. Mit dem normalen Bachmann.Decoder 36-554 (alias Lokpilot Basic V1.0) leuchtet nur ein Führerstand. Es gibt auch einen Sound-Decoder von Howes Models, der ebenfalls über die richtigen Lichtfunktionen verfügt. Im Analogbetrieb leuchten beide Führerstände, die Headcodeboxes und der Lichtwechsel rot/weiß je nach Fahrspannung.
Hier noch ein Foto vom Anlageneinsatz auf Blackmoor Vale. Die Laufeigenschaften sind, wie aufgrund der technischen Spezifikation nicht anders zu erwarten war, ausgezeichnet. Langsames kriechen ist möglich, sehr gute Regelbarkeit über den gesamten Bereich, dezentes Fahrgeräusch. Die Höchstgeschwindigkeit ist passend (beim Vorbild 121 km/h). Alle vier Achsen sind angetrieben, die Lok wiegt 490 Gramm. Die Zugkraft dürfte gut sein, mit fünf Reisezugwagen hatte die Lok auch in den engen 380mm-Radien meiner Anlage keinerlei Probleme.
Der Preis für dieses gealterte und limitierte Modell in einer Auflage von 250 Stück ist bei Kernow Model Centre 139,99 Pfund (167,89 Euro). Nicht gerade eben ein Schnäppchen, doch meiner Meinung nach ist die Dapol D63xx/Class 22 jeden Cent wert und für den gebotenen hohen Standard als preiswert zu bezeichnen. Bei Hattons wird die Lok für 125,00 Pfund (149,91 Euro zum Tageskurs) in vier verschiedenen Varianten (2x grün, 2x blau) mit gleicher technischer Ausstattung (siehe oben) wie das Kernow-Sondermodell angeboten. Ich habe den Kauf keine Minute bereut und bin äußerst zufrieden. Dapol hat für seine OO-Loks einen dicken Pluspunkt bei mir bekommen.
vielen Dank für diesen sensationellen, wie ich meine, objektiven Bericht über die Class 22 by Dapol. Denke meine geplante Englische Bahn wird auch 1 oder 2 Diesellokomotiven beheimaten. Zumindest hat das publizierte mich ein wenig infiziert. In diesem Sinne "I'am the Walrus"...(written by John Lennon)
eine sehr schöne Lok und mit Sicherheit ihr Geld Wert. Zu teuer finde ich das nicht, im Vergleich, was ich im Lokpavilion für "normale deutsche Loks" hinlegen müsste .
Zur Ausgangsfrage "warum siehst du aus wie ein Walroß" wollte ich noch (entnommen aus "The Western's Hydraulics" von J.K. Lewis) besserwissern, dass das wohl daran liegt, das NBL für die Führerstände die Konstruktion der D600-Warships übernommen, aber den Vorbau weggelassen hat. Gleichzeitig hatte die BTC noch nicht das Erfordernis der gangways fallengelassen, so dass eine Gestaltung im Stil der class 42/43 ausschied. NBL hatte aber wohl sowieso keine Erfahrungen mit gefälligen "stressed skin"-Konstruktionen.
habe seit ein paar Tagen ebenfalls eine 22 und kann Torstens Beitrag nur unterstützen. Nebenbei bin ganz froh, daß Dapol und Heljan mir die meisten für die Western Region in Frage kommenden Diesel anbieten, da das ein ganz anderes "Kaliber" sind als die doch oft rustikal wirkenden Bachmann/Hornby Modelle. Es wird nicht meine letzte 22 bleiben!