das Konzept von starren Linien wie in Deutschland, oft auch mit Liniennummer anzutreffen, ist in UK nicht verbreitet. Einen Schritt in diese Richtung geht TfL, die ihren Overground-Linien jetzt Namen gibt.
TfL betrieb bisher nach eigener Auskunft sechs verschiedene Linien, so dass nun auch 6 verschiedene Namen vergeben werden. Außerdem werden den Linien jeweils Farben in der Fahrgastinformation zugeordnet. Thematisch drehen sich alle Namen um "historical contributions by minority groups".
– Die North London Line, Stratford – Gospel Oak – Willesden Junction und weiter entweder nach Richmond oder Clapham Junction, heißt nun Mildmay Line und erscheint hellblau. Der Name bezieht sich auf das Mildmay Mission Hospital, welches aber nicht ganz an der Strecke liegt, und im Rahmen der britischen AIDS/HIV-Krise der 1980er Jahre bekannt geworden ist.
– Die East London Line, Highbury & Islington – Dalston Junction – Surrey Quays und dann weiter entweder nach Clapham Junction, New Cross, oder über die Local-Gleise der Brighton Main Line bis Sydenham und dann entweder nach Crystal Palace oder West Croydon, heißt nun Windrush Line und bekommt die Farbe rot. Die Empire Windrush war ein Motorschiff, welches dadurch bekannt geworden ist, dass es 1948 in Tilbury anlegte und sehr viele schwarze Einwanderer aus den British West Indies nach UK brachte, ein Ereignis, welches als Grundstein für die schwarze Bevölkerung in England gilt.
– Die kurze Romford to Upinster Line wird Liberty Line benannt und grau gezeichnet. Die gesamte Strecke liegt im heutigen Londoner Borough of Havering, und der Name referenziert auf das ehemalige Royal Liverty of Havering, ein Krongut (crown estate), das dort vom 11. bis zum 19. Jhd. existierte. Das Liberty im Namen ist eine mittelalterliche englische Verwaltungseinheit.
– Die nun in den Plänen gelb gezeichnete Watford DC Line wird in Lioness Line umbenannt. Der Begriff Lioness bezeichnet die englische Fußballnationalmanschaft der Frauen, welche 2022 die Europameisterschaft gewannen.
– Neu als Suffragette Line bezeichnet wird die vormalige Gospel Oak to Barking Line, gerne auch zu GOBLIN verkürzt. Ihre Farbe ist grün. Der Begriff Suffragette movement bezeichnet die englische Frauenrechtsbewegung im frühen 20. Jhd., deren letzte Überlebende Annie Huggett bis 1996 in Barking lebte.
– Den Namen Weaver Line bekommen die vormaligen Lea Valley Lines, also Liverpool Street – Chingford und Liverpool Street – Edmonton Green und dann weiter nach Enfield Town oder Cheshunt, die Farbe ist maroon. In der Region war die Textilindustrie dominierend (Weaver bedeutet Weber), und fortgeschrittene Verfahren wurden von Hugenotten-Flüchtlingen aus Frankreich mitgebracht, welche dort von 1685 bis 1789 verfolgt wurden.
Ich finde ja, dass hier die Chance verpasst wurde, die einzelnen Zugläufe innerhalb der von TfL als "eine Linie" bezeichneten Netzteile besser voneinander unterscheidbar zu machen.
Meines Erachtens sollten Linien mit Verzweigungen zu mehreren Endpunkten nur dann als eine Linie bezeichnet werden, wenn es einen klar erkennbaren Hauptabschnitt gibt. Dies ist z.B. bei der North London Line der Fall, denn es gibt zwischen Stratford und Willesden Junction alle 7½ min einen Zug, und es wird abwechselnd nach Richmond und Clapham Junction gefahren.
Die Overground-Züge zwischen Liverpool Street und Chingford halten nicht zwischen Bethnal Green und Hackney Downs an den beiden Bahnhöfen Cambridge Heath und London Fields, außerdem ist dieser gemeinsam mit den Zügen zwischen Liverpool Street und Enfield Town bzw. Cheshunt befahrene Abschnitt ziemlich kurz im Vergleich zu der Reststrecke nach Chingford. Hier hätte man eine separate Linie draus machen können.
Bei der East London Line wäre eine Differenzierung noch wünschenswerter. Züge nach Clapham Junction oder New Cross beginnen nicht in Highbury & Islington, sondern erst in Dalston Junction. Von Highbury & Islington starten ausschließlich Züge nach West Croydon und Crystal Palace. All diese Züge verkehren alle 15 min pro Destination. Wenn man nun mitbetrachtet, dass es auf dem Abschnitt (Victoria – Clapham Junction –) Crystal Palace – New Cross Gate (– London Bridge) halbstündlich auch noch einen namenlosen Southern-Zug gibt, der an allen Overground-Bahnsteigen hält, dann wird klar, dass die Namensgebung und farbliche Unterscheidung der Linien lediglich auf die Existenz der Overground-Linien hinweisen kann, für eine effiziente Reiseplanung jedoch weiterhin nicht genug Information enthält.
An die Namen werde ich mich noch eine Weile gewöhnen müssen. Weaver Line ist schön griffig und kürzer als Lea Valley Lines (zu denen ja auch noch die von Greater Anglia betriebene West Anglia Main Line Richtung Cambridge gehört, daher ist der neue Name auch gut zur Abgrenzung geeignet). Jedoch finde ich Mildmay Line als Deutscher etwas schwierig auszusprechen – Übungssache.
ein Kontakt aus London berichtet, dass die Ansagen ab jetzt auch die Liniennamen an den Umsteigebahnhöfen ausweisen. Es gibt auch neue „Perlschnüre“ (Linienpläne) in den Fahrzeugen.