Hallo,
da es mit Urlauben und Reiseberichten von den britischen Inseln in diesem Jahr nicht so weit her ist, möchte ich von einem Reiseerlebnis vor 25 Jahren berichten. Die wenigen und qualitativ schlechten Fotos dazu, die mir gerade beim Foto-Scannen über den Weg gelaufen sind, muss ich dazu mit etwas Text anreichern. Immerhin ist unschwer ist zu erkennen, dass ich im Sommer ´96 in Irland war.
„Ich“ bedeutete in diesem Fall – leider – „wir“, weil ich in diesen Ferien zum ersten, einzigen und somit zum Glück auch letzten Mal mit einer sogenannten Jugendreise, also mit Betreuern (des DGB) unterwegs war. Ich ließ mich dazu von Schulfreunden aus meiner Stufe breitschlagen, die Sache war preiswert, von der Reisefreiheit her für mich aber eher ein Rückschritt, weil ich vorher schon recht umfänglich, gerade auch mit der Bahn, alleine gereist war.
Zunächst stand eine total entspannte gefühlt 30- bis 40-stündige Busfahrt von Köln nach Limerick mit zweifacher Fährüberfahrt an. Dort angekommen, bewahrheiteten sich meine Befürchtungen, dass Erkundungen auf eigenen Faust deutlichen Einschränkungen unterliegen würden, bewahrheiteten sich schnell. Der zulässige Radius für autarke Unternehmungen beschränkte sich auf den Bereich zwischen der Unterbringung auf dem Uni-Campus, den Weg zur Innenstadt von Limerick und den Shannon dazwischen (in diesen bin ich auf dem Versuch der Querung über eine Rohrbrücke sogar hineingefallen, was aber eine andere Geschichte ist). Nach Auffassung der Betreuer musste man als jugendlicher Mitreisender auch gar nirgendwo hin, da es ja täglich Betreuungsprogramm wie lustige Schnitzeljagden, Kerzengießen oder Pflanzensammeln gab. Es galt gemeinsames Mittagessen und Zapfenstreich.
Am gefühlt ersten vollen Anwesenheitstag suchte ich – innerhalb des erlaubten Aktionsradius – die einzige echte Sehenswürdigkeit von Limerick, den BAHNHOF auf. Hier entstanden die spärlichen Fotos von dem mir bis dahin völlig unbekannten CIE-Material. Weil es nichts Irisches gab (was mich in meiner Meinung bekräftigte, dass das Land wohl wenig zu bieten hat), kaufte ich im Buchladen meinen ersten Railway Modeller und ein Heritage Railways-Magazin. Mit einem Freund, dem auch nicht der Sinn nach mehr Kerzengießen etc. stand, kaufte ich dort erst einmal einen regionale Busfahrplan, absolut essentiell, weil es keine Bushaltestellen mit Fahrplanaushängen gab, sondern (außer am Bahnhof) grundsätzlich nur rot-weiß bemalte, niedrige Steine oder Stelen ohne jede Information. Jetzt waren wir schon mal die Helden, die recht spät noch pünktlich mit dem Bus wieder am Wohnheim auftauchen konnten.
Nachdem es uns an einem Tag gelang, uns vom Mittagessen loszueisen („wir wollen mal in der Stadt einen echt irischen BSE-Burger bei Creuzfeld & Jacobs‘ essen“) und in der Zeit mit dem Bus nach Bunratty Castle zu gelangen, beschlossen wir, aufs Ganze zu gehen und eine (wegen der Entfernung von der Jugendgruppe natürlich nicht genehmigungsfähige) Bahnreise zu unternehmen. Diese würde kongenial passend am letzten Anwesenheitstag stattfinden, da man uns im Entdeckungsfall wohl trotzdem mit nach Hause nehmen würde. Zugleich war die Entdeckungsgefahr reduziert, weil abends das unselig gruppenkuschelige Abschlussfest stattfinden würde, von dem zumindest mein nun fester Mitreisender und ich verlautbart hatten, darauf keine größere Lust zu haben. Zugleich würde man sich diesen Quark tatsächlich sparen.
Wir fuhren also einfach dorthin, wo laut Fahrplan ein längerer durchgehender Zug fahren würde, und das war über Limerick Junction nach Cork (Kent), ca. 100 km Entfernung, „Intercity“-Reisezeit ca. 2,5 Stunden. Zurück würden wir wegen des dünnen Fahrplans den Bus nehmen müssen – deutlich schneller und günstiger, und wir hatten das Kursbuch. Alles klappte, wir wurden nachher trotzdem verpfiffen, es gab ein bisschen Ärger, aber auch ein bisschen Respekt von einem der beiden knapp volljährigen Mit-Betreuer, die vielleicht auch gerne ein bisschen mehr herumgekommen wären. Aus Sorge vor „Beweisfotos“ haben wir nach Cork schon keine Kamera mitgenommen. Es bleiben also nur ein paar schülergeknipste Motive vom Bahnhof Limerick.
01 Limerick CIE Station 1996 by Matthias Hacker, auf Flickr
02 Limerick CIE Station 1996 by Matthias Hacker, auf Flickr
03 Limerick CIE Station 1996 by Matthias Hacker, auf Flickr
04 Limerick CIE Station 1996 by Matthias Hacker, auf Flickr
Fairerweise muss ich noch erwähnen, dass in jeder der beiden Reisewochen jeweils ein Bus-Tagesausflug mit einem „richtigen“ Reiseziel durchgeführt wurde, einmal Cliffs of Moher, einmal Dublin. An beiden Tagen regnete es in Strömen, während wir zu historischen Stätten der Republik wie dem GPO geführt wurden, sodass ich wie auf der Flucht nur Schnappschüsse der Pearse Station machen konnte.
05 Dublin Pearse Station 1996 by Matthias Hacker, auf Flickr
06 Dublin Pearse Station 1996 by Matthias Hacker, auf Flickr
07 Dublin Pearse Station 1996 by Matthias Hacker, auf Flickr
Irland hat sich für mich als das Land eingebrannt, bei dem man lange in Bussen sitzt, die mit von innen beschlagenen Scheiben durch verregnete Landschaften fahren, und in dem man sich mit 16 Jahren nicht mal ein Guinness kaufen darf.
Ich hoffe, ich habe euch mit der langen Geschichte nicht gelangweilt, aber für mich gehören die Bilder einfach in diesen Zusammenhang.
Viele Grüße
Matthias