wie ihr vielleicht schon gemerkt habt, habe ich unter anderem eine besondere Schwäche für alte britische Dampfloks. Abgesehen von dem meist äußerst hübschen Erscheinungsbild dieser Loks (vor allem aus der Victorianischen Zeit) ist auch deren Geschichte sehr interessant. Das Kapitel um die 3-Zylinder Verbundlokomotiven (Express locos) von Francis Webb von der LNWR gehört dabei zu den Umstrittensten der britischen Eisenbahngeschichte, wobei die mehr oder weniger verreißenden Kritiken überwiegen. Die dritte Serie, die "Teutonic-Class", wird allgemein noch als die beste der Webbschen Verbundlokomotiven angesehen (von denen sich die "Jeanie Deans" und die "Ionic" immerhin einige Reputationen für langjährige Zuverlässigkeit bzw. relativ schnelle Langstreckenfahrten erwerben konnten, abgesehen von den potenziellen Anfahrschwierigkeiten der Webbschen Verbundloks). Als schlechtester Typ wird allgemein die "John Hicks"- Klasse angesehen, eine 2-2-2-2 Tenderlokomotive. Und nun meine Frage: Hat jemand von euch vielleicht schon einmal ein Bild oder eine Zeichnung von dieser Klasse (oder von der ähnlichen "Greater Britain Class") gesehen? Ich habe schon eine Weile recherchiert, aber noch keine bildlichen Darstellungen davon gesehen.
und vielen Dank für deine schnelle Hilfe! Auf diese Seite war ich über google zwar auch schon gekommen, konnte sie aber wegen einer anderen Grafikeinstellung an meinem Rechner nicht richtig lesen. Nachdem du mir die Seite hier genannt hast (was ja darauf schließen lässt, dass die Seite an sich in Ordnung ist), habe ich hier etwas umgestellt und dann ging es!
Allerdings bin ich doch etwas überrascht, da ich bei einer Quelle gelesen (oder es so verstanden) hatte, dass es sich um eine Tenderlok gehandelt haben sollte. Dann war das wohl ein Missverständnis.
Gern geschehen, jedoch so ganz ist mir nicht klar, was denn nun an den Webb-Loks das besonders "schlechte" oder "gute" war. Bei Gelegenheit kannst du ja etwas mehr schreiben, vielleicht auch mit Bildern ??? ( muß ja nicht sofort sein, laß dir Zeit)
Ich denke, das würde auch andere Foren-Mitglieder interessieren.
du scheinst mir hier im Forum der Spezialist für alte Engliche Dampfloks zu sein.Ich besitze seit einigen Jahren ein Buch über die 2B1 Atlantik Lokomotiven.Ganz besonders gut gefallen mir die Lok der Klasse H von North British und die Klasse V der North Eastern Railway.Gibt es oder gab es jemals brauchbare 00 Modelle von diesen Loks.Bisher habe ich im Netz noch nichts gesehen.
das will ich gerne tun, soweit mein sehr begrenztes Wissen es hergibt. Das Kapitel über die Webbschen Schnellzug-Verbundloks ist sicherlich auch noch für andere interessant, denn es ist unter Eisenbahnhistorikern immer noch etwas umstritten. Die meisten halten die Webbschen 3-Zylinder Verbundloks (die "Experiment", "Compound"- Class, "Dreadnough"-Class, "Teutonic"-Class, "Greater Britain"-Class und "John Hick"-Class) für glatte Fehlkonstruktionen, um nicht zu sagen, wohl mit die schlimmsten Fehlkonstruktionen, die auf Englands Schienen liefen. Sie führen dabei mehrere Argumente ins Feld: Erstens, dass diese Maschinen häufig Schwierigkeiten beim Anfahren hatten - die Lokmannschft musste zuweilen mit der Brechstange nachhelfen, um den Zug in Bewegung zu setzen! Zweitens, dass sie nicht so leistungsfähig und in ihren Betriebseigenschaften so waren, wie man sich erhofft hatte. Drittens,dass diese Verbundloks nicht die Wirtschaftlichkeit und Brennstoffersparnis zeigten, die Webb von ihnen erwartet hatte. Sie verbrauchten allgemein nicht weniger als ihre Vorgängerloks mit einfacher Dampfdehnung.
Andere wiederum sind in ihrem Urteil moderater. Die gelegentlichen eklattanten Anfahrschwierigkeiten leugnen sie nicht, sie geben aber zu bedenken, dass die Verbundloks größer als ihre Vorgänger waren und ihnen höhere Leistungen abverlangt wurden, weshalb man bei der Beurteilung ihrer Wirtschaftlichkeit nicht einfach die Brennstoffverbräuche ihrer Vorgänger als Maßstab nehmen darf. Zum anderen verweisen sie auf einige bemerkenswerte Leistungen von einigen Vertretern der 10 Exemplare umfassenden "Teutonic"-Class, die als beste der Webbschen Verbundloks eingeschätzt wird. Sie waren die leistungsfähigsten und bereiteten die wenigsten Probleme, wenngleich auch sie mitunter Starthilfe benötigten.
Es war im Wesentlichen die Abstimmung der Zylinderabmessungen und die Art der verwendeten Steuerungen, die über die Performance der einzelnen Serien bestimmten, bei den letzten beiden Klassen war aber auch der verlängerte Kessel mit der mittigen Brennkammer ein Anlass für Schwierigkeiten. War wohl gut gemeint, aber die Praxis sah anders aus.
Die Anfahrschwierigkeiten rührten jedenfalls von den beiden ungekuppelten und unabhängig voneinander angetriebenen Antriebsachsen und deren Steuerungen her. Die beiden Hochdruckzylinder (außen) trieben die hintere Antriebsachse, der riesige Niederdruckzylinden ("Mülltonne" von gut 70cm Durchmesser) innerhalb des Rahmens trieb die vordere Antriebsachse an. Wenn nun eine Lok z.B. rückwärts an eine Zuggarnitur gefahren war und angekuppelt hatte, stand die Steuerung des Niederdruckzylinders auf Rückwärtsfahrt. Zum Umsteuern auf Vorwärtsfahrt konnte nur die Steuerung der Hochdruckzylinder umgestellt werden, die Hochdruckzylinder erhielten beim Öffnen des Reglers auch als Erste Dampf. Wenn jetzt die Lok anfuhr, wurde die Steuerung des Niederdruckzylinders durch die Raddrehung mitgenommen und stellte sich selbsttätig auch auf Vorwärtsfahrt um, so dass, wenn jetzt der Niederdruckzylinder den dampf aus den Hochdruckzylindern bekam, auch dieser seine Antriebsachse in Vorwärtsrichtung drehte. So war es auch gedacht und so funktionierte die Anfahrt auch ohne Schwierigkeiten. Aber leider konnte es auch vorkommen, dass die Vorderachse im ersten Moment durchrutschte (schleuderte) und die Lok sich noch nicht nach vorn bewegte. Dann stand in dem Moment, wo der Niederdruckzylinder Dampf erhielt, dessen Steuerung noch auf Rückwärtsfahrt! Und dann drehten sich beide Achsen in entgegengesetzte Richtungen und die Lok kam nicht von der Stelle!
Sicherlich hätte Webb diese Problem beheben können, z.B. durch Kuppelstangen zwischen den Treibachsen oder durch einen zusätzlichen Mechanismus, mit dem man die Steuerung des Niederdruckzylinders hätte gezielt richtig einstellen können. Warum dies unterblieb, darauf habe ich noch keine Antwort gefunden.
Natürlich kann man sagen, warum soll man sich mit solchen Loks überhaupt näher befassen, wo sie doch allgemein eher als unglückliche Konstruktionen gelten (Als Webb 1903 in Pension ging, ließen seine Nachfolger ihm seine Verbundloks rasch folgen, denn die LNWR war durch diese in ihrer Leistungsfähigkeit gegenüber der Konkurrenz zurückgefallen). Ich finde aber, dass auch die weniger glanzvollen Kapitel wert sind, beachtet zu werden. Sie zeigen, dass manch gut gemeinte Konstruktion in der Praxis nicht so gut abschneidet oder sogar enttäuscht und dass auch große Ingenieure nicht immer Sternstunden haben (auch William Dean musste einmal eine tragischkomische Episode mit einem neuen Prototyp erleben, davon mal an anderer Stelle mehr). Man kann daraus lernen, dass sich Erfolg nicht immer erzwingen lässt.
sehr gute Wiedergabe über Webbs Probleme, die ja bis heute teilweise noch immer nicht bewiesen sind. Habe mal versucht, etwas über seine Gründe warum er einmal ohne Kuppelstangen baute, ein ander Mal mit; einmal den Niederdruckzylinder solo innen, einmal den hochdruck- innen, bei den 2-2, 2-0. Unklar auch, warum er nicht ein Überströmventil zusätzlich für Hochdruck in die Niederdruckzylinder einbauen liess - wie bei den deutschen Dampfloks mit ihren "Automaten"... Webbs VESUVIUS als 3-Zylinder compound prügelte den Belfast boat train gen London auf der NWR, und die 4-Zylinder compound - eine Black Prince class - als Zugmaschine des West Küstenexpress von Carlisle nach London bekam vorgespannt die 2-4-0 Thalaba. Was waren das für Zeiten und was für Maschinen....
Rex
"The Continentals have sex life, "The British have hot water bottles" Englisch Seminar, Uni von Bristol, 1964.
ja, ich hätte auch gern gewusst, weshalb Webb nicht mit ein paar für uns naheliegende Maßnahmen das Anfahrproblem gelöst hat, sofern es dieses in der Literatur oft erwähnte Problem tatsächlich gegeben hat oder es Webb zumindestens eindringlich bekanntgemacht wurde. Falls du noch etwas zu diesem Thema herausfinden solltest, lass es mich bitte wissen (umgekehrt genauso). Die Geschichte ist sehr interessant. Nun habe ich gelesen, dass Webb ein ziemlicher Autokrat gewesen sein soll, der Kritik an seiner Person und an seinen Werken nicht gut vertragen haben soll... Aber andererseits hätte er sich für die Bahngesellschaft existenzgefährdenden Problemen nicht lange verschließen können, schließlich ging es da auch um sehr viel Geld der Aktionäre. Ganz so schlecht können seine Compounds danach doch wohl auch nicht gewesen sein.
Es gibt ja eine Reihe von Lokomotivtypen, die in der Fachwelt eien umstrittenen Ruf genießen, die "Claughton" Klasse von Bowen-Cooke der LNWR gehört offenbar auch dazu, von der habe ich in unterschiedlichen Literaturstellen recht kontroverse Abhandlungen gelesen. Vielleicht ist bei den Autoren aber auch eine Menge an Emotionen im Spiel...
Empfehlen kann ich euch diese Bücher: 1 - E. L. Ahrons THE BRITISH STEAM RAILWAY LOKOMOTIVE. 1825 to 1925. und den Folgeband: 2 - O. S. Nock THE BRITISH STEAM RAILWAY LOKOMOTIVE 1925 - 1965.
Mehr braucht man nicht. Den Ahron habe ich mal in Händen gehalten 1964 in Bristol - und da als armer Student dortens - nicht gekauft ... !!! Darf ich gar nicht mehr dran denken. Der Nock liegt hier vor mir.
Aber es gibt ja noch die Fernleihe via einer Uni-Bibliothek.
Es gab ja viele Deutsche ( Eisenbahning. uam. ), die in England zur "Schule" gingen. Fällt mir spontan der Freiherr Max Maria von Weber ein. Der kannte persönlich den Stephenson, den Brunel, uam. Und hat sehr viel darüber geschrieben, auch USA-Bahnen. Ein Werk sei von Weber aus dem Jahre 1876 !!! ) NIE vergessen: "Wechselwirkungen zwischen den englischen und den continentalen Bahnsystemen nach Vollendung des unterseeischen Tunnels" ----- der Kanaltunnel, erst jetzt Wirklichkeit. Wer hats noch gewusst?
rex
"The Continentals have sex life, "The British have hot water bottles" Englisch Seminar, Uni von Bristol, 1964.
von dem Ahrons habe ich schon des öfteren gehört bzw. gelesen und O.S. Nock ist für mich natürlich auch ein Begriff (habe zwei kleinere Bücher von ihm). Ich werde mal sehen, ob ich den Ahrons vielleicht einmal bekommen kann (Antiquariat?). Die Situation 1964 in Bristol, von der du schreibst, kann ich gut nachempfinden... Einen ähnlichen Moment habe ich im Juni 1993 erlebt, im Museumsladen beim Deutschen Museum in München. Dort fiel mir beim Stöbern ein Buch in die Hände, wie ich es schon lange gesucht hatte: "Single Wheeler Locomotives" von Charles Fryer, erschienen bei Oxford Publishing Co., ISBN 0-86093-506-X. Da ich zu der Zeit glücklicherweise schon ein herangereifter Ingenieur war, konnte ich die 56,- DM, die das Buch kosten sollte, aber durchaus aus der Urlaubskasse bestreiten. Wenn ich es als armer Student hätte liegenlassen müssen, wäre mir viel entgangen.
Der Autor schreibt über diese Lokomotiven mit dem gleichen Enthusiasmus, wie ich ihn empfinde (Zitat aus der Einleitung:""Many ingenious lovely things are gone", the poet W.B. Yeats lamented sixty years ago. He was not thinking of steam locomotives, but his words will serve as an epitaph on the subject of this book, a late Victorian locomotive type which achieved expression in some of the most handsome engines this country has ever seen, which appear in their days to have run well, sometimes superlatively well, and to have attracted a clientèle of passionate devotees. These were the inside cylindered, front bogie single wheeler...")
Dein Hinweis auf die Vision des Kanaltunnes von Weber ist tatsächlich bemerkenswert - 1876 war ja doch noch ein sehr früher Zeitpunkt, ein solches Vorhaben zu planen geschweige denn an die Realisierung zu denken.
Aber es hat ja immer schon Visionäre gegeben; es gab ja im 19. Jahrhundert durchaus schon Personen, die den Sieg der Elektrotraktion vorausgesagt haben. Dies war gewiss nicht so leicht absehbar angesichts der seinerzeit schon recht leistungsfähigen Dampftraktion, die ihren Zenit noch lange nicht erreicht hatte...
um das komplexe System etwas aufzulockern, will sagen, in kleinen verständnisvollen Häppchen zu servieren, sollten wir dann nicht mal anfangen, zu sammeln? Zwar bin ich ab nächster Woche länger unterwegs, aber daran soll es nicht scheitern. Vorschlag einer Gliederung, damit es nicht zu sehr durcheinander geht: Teil 1 - Webb als Mensch und Erfinder; Teil 2 - Webbs Lokomotiven: 2.1 - die Singles; 2.2 - die Compounds; 2.3 - Webbs Lokomotiven im Zugverkehr. Teil 3 - Webbs Vorgänger und seine Nachfolger.
Diese gliederung ist hiermit zur Diskussion gestellt. Wir müssten uns nur einigen, wie wir es setzen, auch mit Fotos, Links, damit die Übersicht bleibt.
Gruß rex.
"The Continentals have sex life, "The British have hot water bottles" Englisch Seminar, Uni von Bristol, 1964.