ich glaube dafür gibt es kein deutsches Wort. Wörtlich übersetzt heißt Steeplecab wohl etwa "Steilwandführerstand". Es sind elektrische Lokomotiven mit erhöhtem Mittelführerstand. Sie waren ursprünglich eine amerikanische Erfindung, aber ab 1900 gab es auch einige solche Lokomotiven in Europa. Da um 1900 in Frankreich, Großbritannien und Italien insgesamt 16 mehr oder weniger baugleiche Lokomotiven gebaut wurden, habe ich diese "Lok-Familie" heute im Französische Bahn Forum kurz vorgestellt. Nachdem mit den Lokomotiven No.1 und 2 (spätere Class ES1) ja auch in Großbritannien zwei solche Maschinen unterwegs waren, wollte ich den Beitrag hier zur Information verlinken:
Grundsätzlich geht ja kein Lokomotivkonstrukteur mit der Absicht ans Werk, unbedingt eine so aussehende Lokomotive zu konstruieren. Es gilt immer "Form follows Function". Daher kommen Steeplecablokomotiven in Betracht, wenn besonders wenig Aggregate verbaut werden müssen. Dies ist dann der Fall, wenn auf Transformatoren und Hilfsbetriebe verzichtet werden kann, und das kommt in der Regel nur bei Gleichstrombahnen vor und auch nur bei einfachen Rangier-/Güterzugloks, nicht bei Personenzugloks, wo z.B. ein Aggregat für die Zugheizung benötigt wird.
Die Bahnen dieser Welt sind ja mit den unterschiedlichsten Strömen elektrifiziert. Grob gesagt entstanden diese Unterschiede, weil der Stand der Technik im Laufe der Zeit verschiedenste Stromsysteme bevorzugte. Da spätere Umstellungen nur bei kleinen Systemen wirtschaftlich ist, stellt die Wahl des Stromsystems quasi das Alter der Bahnelektrifizierung der jeweiligen Bahn dar. Das dem elektrischen Motor zugrundeliegende Prinzip Elektromagnetismus ist eine Entdeckung der 1820er Jahre, somit sind Eisenbahnen und Elektromotoren ungefähr gleich alt. Am Anfang existierten aber nur teure Batterien als Spannungsquellen. Erst ab den 1870er Jahren stand Siemens' Generatormaschine zur Stromerzeugung zur Verfügung. Dann entstanden zuerst die Straßenbahnen mit 600 bis 750V. Das entspricht der typischen Betriebsspannung eines Gleichstromfahrmotors. Mehr konnte man nicht zulassen, weil ab etwa 1000V die Holzdächer der Straßenbahnen als nicht mehr ausreichend isolierend angesehen wurden (es gab nach mehrtägigen Regenfällen durchaus Betriebseinstellungen, weil die Holzdächer zu gut leitend wurden). In den 1890er Jahren gab es einen Entwicklungssprung mit den Drehstrom-Asynchronmotoren, welche wesentlich leistungsfähiger waren, aber eine dreipolige Fahrleitung erforderten. Das hat letztlich nur Italien so gemacht, während man in anderen Ländern beim Gleichstrom blieb, wobei man unter Weiterentwicklung der Fahrzeugdach-Isolierungen auf 1500V oder sogar 3000V setzte (entspricht 2 bzw. 4 Fahrmotoren in Reihe). Frankreich, Spanien, Benelux, Polen und Tschechien nutzten beispielsweise diese Technik. Um 1900 wurde dann der Transformator verfügbar, welcher Einphasenwechselstrom erlaubte. Die verwendeten Reihenschlussmotoren erforderten aber niedrige Frequenzen, und so kam Deutschland, Österreich, die Schweiz und Skandinavien zu seinen 15000V 16 2/3 Hz. Vor allem in Ungarn erforschte der Konstrukteur Kálmán Kandó die Gleichrichtung von 50Hz-Strom, und in den 1920er Jahren gab es dort die erste Bahnstrecke mit damals noch 16kV 50Hz. Die Lokomotiven wandelten diesen mechanisch in Drehstrom um. So richtig los ging es mit 25kV 50Hz erst nach dem Zweiten Weltkrieg, als leistungsfähigere Gleichrichter zur Verfügung standen. Die 50Hz-Bahnen greifen also auf Gleichstromtechnik zurück. Ab Mitte der 1970er Jahre nutzte man serienmäßig Leistungselektronik zum Umformen, jetzt konnte der Drehstrom-Asynchronmotor auch bei Einphasenwechselstrombahnen genutzt werden. Das funktioniert mittlerweile mit allen Stromsystemen, auch bei Gleichstrombahnen.
In Deutschland konnte sich die "neuste" 25kV-50Hz-Technik (Versuch Rübelandbahn) nicht gegen die "zweitneuste" Technik 15kV 16 2/3 Hz durchsetzen. In UK dagegen sind alle Gleichstromoberleitungen über Eisenbahngleisen verschwunden, mit Ausnahme der Tram-Train-Abschnitte in Sheffield-Rotherham (750V) und Pelaw – Sunderland (1500V, Tyne and Wear Metro). Die Southern 3rd Rail nutzt 750V (ältere Abschnitte noch 660V), hier geht das Erhöhen der Spannung nicht wegen des fehlenden Abstands zur Erde. Es ist im Gespräch, das gesamte 3rd-rail-Netzwerk auf Oberleitung mit Wechselstrom umzustellen. Schon seit ein paar Jahren werden nur noch 3rd-Rail-Triebwagen angeschafft, welche prinzipiell auch unter Oberleitung fahren können, auch wenn die dazu notwendigen Teile nicht notwendigerweise von Anfang an eingebaut, sondern nur Platz dafür vorgesehen ist.
AEG hat 1922 eine knuffige Steeplecab-Lok für die Chōshi Electric Railway gebaut, die DeKi 3…
Die NER hatten die ES1 für die Anbindung des Anlegers am River Tyne in Newcastle zur Bahn, welche etwa 30m höher lag. Auf der Strecke fand kein Personenverkehr statt, sie hing aber an der 600V-Tyneside-Electrics-Elektrifizierung. Die fallenden Vorbauten erleichterten beim Rangieren das Ankuppeln. Bei Bahnen mit Seitenpuffern (also mit Schraubenkupplung) besteht alternativ auch die Möglichkeit, die Vorbauten schmaler auszuführen, dann müssen sie nicht abfallen. Alle modernen deutschen Rangierlokomotiven nutzen dies; in UK gibt es ja keine dedizierten Rangierlokomotivbaureihen mehr (so viel ich weiß nutzt DBC Class 66 als Rangierloks). Bei Bahnen mit Mittelpufferkupplungen besteht diese Möglichkeit nicht, daher fand man dort z.B. auch Dampflokomotiven mit abfallenden Tenderenden.
Auch der Westen versuchte sich an 50 Hz, im Prinzip schon das Deutsche Reich, als 1936 der Betrieb auf der Höllentalbahn bei Freiburg/Brsg. mit 20.000 Volt / 50 Hz. durch die DRG aufgenommen wurde. Die Bundesbahn forschte nach dem Krieg fleißig weiter auf der Strecke, kam aber zu dem Schluss, das System nicht weiter zu verfolgen. Ab 1956 wurde der Inselbetrieb dann zum Fremdkörper im Bahnhof Freiburg, der von der regulären Elektrifizierung mit 15.000 V / 16,7 Hz erreicht wurde. 1960 wurde die Strecke deshalb umgestellt und der Inselbetrieb beendet.
Da Baden-Württemberg in der französischen Besatzungszone lag und obendrein Freiburg nur einen Steinwurf hinter der Grenze, war die Strecke aber im Mittelpunkt des Interesses der französischen Staatsbahn, die den Betrieb intensiv begleitete und daraufhin beschloss, die Nordhälfte der Grande Nation mit 50 Hz zu elektrifizieren, aber 25.000 Volt wählte und so die bekannte Zweiteilung der SNCF in ein Gleich- und ein Wechselstromnetz erschuf.
Viele Grüße Mirko
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ein sehr interessantes Bild mit den Luxemburger Loks. Faszinierend finde ich die im Verhältnis zu den winzigen Loks riesigen Puffer. Auch sind zwei seitliche Puffer bei Schmalspurbahnen eher selten.