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Hallo,
da ich gerade dabei bin, die Szenerie eines canal lock auf einem Modul zu verarbeiten, bin ich in die Materie des Themas der narrowboat canals in Spur N eingedrungen. Ich habe im Forum die schon etwas zurückliegende Umsetzung von Phil bemerkt und möchte an dieser Stelle einmal global updaten, eine Modellübersicht geben und meine notwendigerweise selektiven Erfahrungen berichten.
Das Vorbild, die Kanalschifffahrt an sich, ist als industriegeschichtlich bedeutsames Thema mannigfaltig ausgeleuchtet und auch angesichts der großen Beliebtheit in der Freizeitschifffahrt bildlich und textlich reich dokumentiert. Für die Modellumsetzung ist primär interessant, dass die regionale Verbreitung umfangreich, aber nicht umfassend war und also ein Blick angezeigt ist, ob der Kanal in der jeweiligen Region richtig verortet ist. Hinsichtlich der era ist zu beachten, dass die originäre Nutzung als (Kohlen-)Lastkahn (seit Mitte des 18. Jh.) nur bis in die Mitte der era 5 unproblematisch erscheint – die Kanalschifffahrt wurde zusammen mit der Bahn 1948 verstaatlicht, British Waterways stellte den kommerziellen Gütertransport dann nach dem strengen Winter 1962/63 ein, weil praktisch alle wirtschaftlich Betroffenen sich im Zeitraum der monatelang zugefrorenen Kanäle Transportalternativen gesucht hatten. Diesel-Boote, die dann typischerweise zusammen mit einem unmotorisierten Schleppkahn („butty“) fuhren, gibt es seit den 1930er Jahren. Für solche Kombinationen, auch unter NCB-Flagge fahrend, habe ich zumindest Bilder aus dem Jahr 1962 gefunden. Einige Private haben mit Frachtbooten bis in die 1970er Jahre durchgehalten. Mit dem Wiederaufbau des Kanalsystems zu Freizeitzwecken seit den 1980ern sind dann auch wieder Bau-, Unterhaltungs- sowie Frachtboote von echten „Überzeugungstätern“ auf diesem Nischenmarkt aufgetaucht. Zwischenfazit: Frachtboote können in praktisch jeder era gerechtfertigt werden, waren aber in betriebsfähiger Form in der era 7 praktisch nicht existent. Für die era 6 und die frühe era 7 sind eher verfallende Kanäle und Schleusen und vergammelnde Frachtkähne an Ufern typisch.
Umgekehrt sind Freizeitboote schon ab den 1930er in kleiner Zahl vertreten und in der alten Holzbauweise von era 3 bis heute zu rechtfertigen, das typische (und am zahlreichsten in Modellform erhältliche) Freizeitboot aus Stahl ist dagegen eine ziemlich moderne Angelegenheit und eher was ab später era 7. An Bildmaterial, das bspw. den Kennet & Avon Canal und die parallele Bahn zeigt, kann man die gesamte Entwicklung (Frachtnutzung, Verfall, Restaurierung, Freizeitnutzung) gut ablesen, im Folgenden stets aus demselben Betrachterstandpunkt:
Im Great-britN-Universum gibt es bisher – anders als auf ungezählten britischen Layouts – keine Kanäle, sodass insofern eine Umsetzung mal angezeigt ist. Hier also eine Übersicht zum Erhältlichen und erhältlich gewesenen für 1:148; es sind alles Wasserlinienmodelle, die also auch zum Einsatz in modellierten Gewässern gedacht sind:
- Ancorton Models, narrow boat/leisure, laser cut - Graham Avis, narrow boat/leisure (kurze Variante), Resin, bemalt und unbemalt erhältlich - Langley Models, narrow boat/leisure (3 Längen), narrow boat/coal, butty/coal, Teilesatz für Schleuse, Poller, etc., alles Weißmetall, zusätzlich Beschriftungen für Frachtkähne - Knightwing International, narrow boat/coal, ältere Bauart aus Holz, und Teilesatz für Schleuse, jeweils kombinierte Weißmetall-/Kunststoffbausätze - Lyddle End, komplettes ready to plant-Kanalsystem - Mountford Models, narrow boat/leisure (lange Variante) und verschieden beladene Frachtkähne, jeweils bemalt und unbemalt erhältlich; komplette Schleuse gegossen aus einem Stück - Shapeways, narrow boat/leisure; 3D-Druck, dargestellt wird eine ältere Variante mit Holzaufbau - Scalescenes, Sortiment aus Fracht- und Freizeitboot, Schleuse, lock keeper’s cottage, alles wie bekannt als Papierbausätze zum Herunterladen
Als „Teaser“ einmal das, was ich als Bastelbasis gekauft habe, nämlich das Freizeitboot von Graham Avis, das Kanalset von Langley und das Sortiment von Scalescenes.
Die einzelnen Modelle kann oder möchte ich wie folgt kommentieren:
Diese Modelle sind problemlos kommerziell erhältlich z.B. auch bei Hattons (auch als lackierte Fertigmodelle aus Holz, ca. GBP 15-20). Dort sind auch Fotos zu sehen, die meines Erachtens sehr wenig überzeugende Modelle abbilden. Der Schiffsrumpf lässt sich augenscheinlich nicht realistisch aus übereinander geklebten Holzschichten darstellen, die Aufbauten sehen ebenfalls ziemlich klumpig aus. Das Ganze erinnert mich an die Fähre von BRIO, scaled down in Richtung 1:148.
Pro: Gefällige Proportionen, das lackierte Modell (GBP 9, günstiger bei der NGS) ist ready to plant und die offensichtlich händische Lackierung hat ein brauchbares Finish. Kontra: Detailfetischisten könnten sich an der massiven Bauart stören, d.h. die Fenster sind nur angemalt. Da das ganze Boot aus einem Stück gegossen ist, lässt sich das auch nicht ändern. Dieses Boot habe ich gekauft (s.o.) und bin zufrieden damit.
Erhältlich über Knightwing selbst oder wenige Spezialhändler (Osborne’s). Kosten: ca. GBP 9. Die Produktabbildung macht einen ordentlichen Eindruck, das reale Modell habe ich noch nie gesehen. Alleinstellungsmerkmal: Nachbildung des älteren Frachtkahntyps mit Holzrumpf (70 ft). Die Schleusenteile findet man unter: http://www.knightwing.co.uk/cgi-bin/comm...ide_Kits&pid=59
Erhältlich direkt von Langley (Achtung: relativ hohe Versandkosten, für das Schleusen-/Boot-Set bspw. GBP 9), über ebay (Preise liegen nochmal deutlich über den Langley Listenpreisen) oder über den NGS Shop. Beim Schleusenbau wird man um Langley kaum herumkommen, weil viele essentiell erforderliche Kleinteile (schmale Schleusentore, Poller) derzeit nur hier angeboten werden. Die Preise für diese paar Weißmetallklümpchen aus uralten Formen erscheinen mir, garniert um den aktuellen Pfundkurs, allerdings ziemlich übertrieben. Die Bootsbausätze selbst bestehen allesamt aus einem einzigen Weißmetallstück, an das lediglich das Ruder und bei den Frachtkähnen eine Spriegel-Leiste für die (nicht enthaltene) Planenabdeckung angebracht wird.
Ich habe als „Beifang“ zum Schleusenzubehör die Lastkähne (Dieselboot mit butty) erworben, die den Eindruck machen, aus nicht unerheblich gebrauchten Formen zu stammen. Dargestellt ist eine maximal mit Kohle beladene Frachtsituation. Ein Umbau in Boote mit anderen Ladungen wird dadurch erschwert, dass ein erheblicher Tiefgang nachgebildet und die Kohle das tragende Teil der Konstruktion ist. Die Freizeitboote machen als one piece mouldings aus Weißmetall einen ziemlich massiven Eindruck, hier muss man die Fenster ebenfalls schlicht aufmalen.
5) Lyddle End (Hornby):
Hier erübrigt sich letztlich jeder praktisch verwertbare Kommentar, da die Modelle wenn überhaupt nur noch bei ebay.co.uk zu Mondpreisen auftauchen. Ein geschlossenes System der steckbaren Kanalelemente aufzutreiben dürfte praktisch unmöglich sein, und wenn man denn an diese herankommt, einen ziemlich wenig realistischen, Carrerabahn-mäßigen Eindruck machen. Im Hattons-Archiv sind noch alte Bilder zu sehen: http://www.ehattons.com/20971/Hornby_N87...tockDetail.aspx http://www.ehattons.com/20916/Hornby_N86...tockDetail.aspx
Hierbei handelt es sich neben der kompletten Schleuse (ca. GBP 40!) um ein ganzes Sortiment an Frachtkähnen und ein langes, modernes Freizeitboot, alles bemalt (ca. GBP 13) und unbemalt (ca. GBP 8-9) erhältlich. Das Finish sieht auf den Produktabbildungen ganz ordentlich aus, allerdings gab es eine niederschmetternde Beschreibung im NGS Journal, wo sinngemäß ein Maßstab zwischen 1:160 und 1:200 ermittelt wurde. Unabhängig davon können die Frachtkähne auch Einsteiger in die Materie nicht überzeugen, weil sie unrealistisch (z.B. mit sehr hohen Kohlehaufen) beladen sind und trotzdem kaum Tiefgang aufweisen. Das Langley-Modell gibt dagegen eine augenscheinlich realistisch flache, gleichmäßige Kohlenbeladung bei deutlichem Tiefgang wieder, was die Version von Mountford im Vergleich ziemlich absurd erscheinen lässt.
Ein Ausdruck des herunterladbare Papierbausatzes in der üblichen Kartonschichtbauweise enthält einen Schleusenbausatz sowie vier Frachtkähne und zwei Freizeitboote, alles zusammen für 4 Pfund. Um es vorwegzunehmen: Diese Boote in N aus Papier zu bauen, ist meiner Meinung nach nur etwas für Fans der Papierbauart oder z.B. passionierte Buddelschiffbauer, solange man gut aussehende Schiffsrümpfe aus einem Stück problemlos erwerben kann. Siehe hierzu die Fotos der Ausdrucke. Dafür sind es aber die einzigen Modelle von Freizeitbooten, die man mit Echtglasfenstern bauen kann. Im Übrigen ist zumindest diskussionswürdig, ob man die von mehreren Herstellern „am Stück“ erhältlichen Schleusentore, Poller oder gar die Fender der Boote unbedingt aus Papier bauen muss. Gleichwohl ist der Bausatz allein wegen der Schleuse unbedingt empfehlenswert, da man so eine vorzügliche Vorlage für die korrekten Abmessungen hat, auch wenn man die Schleuse dann nicht 1:1 nach Anleitung baut. Das dazugehörige lock keeper’s cottage gibt es separat und ausschließlich von Scalescenes, zudem ist es als schlichtes Gebäude auch im Scalescenes-style recht einfach zu bauen.
Alleinstellungsmerkmal: Das einzige Boot in geschlossener, alter Ausführung mit Holzaufbau (40 ft). Der Preis (ca. 16 Euro) liegt im Rahmen des beim 3D-Druck Üblichen. Mich würde interessieren, warum es keine Fenster bzw. nicht einmal die für ältere Boote typischeren Bullaugen hat.
Fazit:
Ancorton und Mountford scheiden aus meiner Sicht aus o.g. Gründen aus. Der leider nur über wenige Bezugsquellen erhältliche Knightwing-Bausatz macht bei den Frachtbooten aus meiner Sicht den besten Eindruck. Wer ein fein detailliertes Freizeitboot möchte (also keins mit aufgemalten Fenstern wie von Graham Avis oder Langley), ist auf einen Eigenbau oder den Scalescenes-Bausatz angewiesen – ich überlege, den Scalescenes-Freizeitaufbau mit einem der vollplastischen Rümpfe zu kombinieren, um den „Papierwahn“ etwas einzudämmen. Abgesehen von der Situation bei den Booten hat Langley das Quasi-Monopol auf Kanalzubehör-Kleinteile.
Ich hoffe, ihr könnt die Übersicht gebrauchen. Vom konkreten Kanalbau auf dem Modul berichte ich dann an anderer Stelle.
danke für deine umfangreiche Ausarbeitung dieses schönen und interessanten, jedoch auch höchst komplexen Themas. Ich staune, woher du die Zeit dafür nimmst. Eisenbahn und Narrow-Boat-Kanal gehören in Großbritannien untrennbar zusammen. Die Leistungen, die von den Pionieren des Kanalzeitalters (z.B. James Brindley und Thomas Telford) geschaffen wurden, stehen kaum den Taten Georges Stephenson und IKB nach. Die Kanäle lösten die industrielle Revolution in Großbritannien aus und waren damit die Grundlage für das Eisenbahnzeitalter. Großes wurde geschaffen, was auch noch heute äußerst bemerkenswert und in täglicher Benutzung ist, wie der Pontcysyllte Aqueduct oder der Chirk Aqueduct. Das haben sie ohne Computer, Bagger gebaut, auch ohne die Eisenbahn, denn die wurde erst 1825 erfunden!
Black_Country_Living_Museum by Torsten Freyer, auf Flickr Im Black Country Living Museum werden auch die Frachtversionen der narrow boats und ein Umladehafen mitsamt Reparaturwerft museal erhalten. Das Museum ist auch Ausgangspunkt für Bootstouren durch das Tunnelsystem des Dudley Tunnels. Sehr empfehlenswert.
Bliebe anzumerken, dass Kanäle in England quasi hauptsächlich im ganzen Mittelland, also nördlich von London und südlich von Lancaster / Leeds (aber natürlich auch anderswo) anzutreffen sind. Townscenes mit Kanälen wären ein äusserst lohnenswertes Motiv. Ich war ja gerade neulich in Manchester, und dort hat es neben den beeindruckenden Viadukten der Eisenbahn ein ebenso beeindruckendes Geflecht an Kanälen. An diesen entstehen - wie in London und anderen Orten -, seit der Umnutzung von industriell auf öffentliche Nutzung, vermehrt hippe Wohnquartiere, die durchaus tolle Modellmotive abgeben. Und wenn man es ganz doll technisch mag, dann müsste man noch auf dieses Wunderwerk in - oh Wunder - Schottland hinweisen: Schiffshebewerk in Falk Kirk
danke für eure Beiträge zu diesem sehr interessanten Thema - überhaupt ist die Kombination aus Boots- bzw. Schiffsverkehr (egal ob nun Kanalschifffahrt oder Hafenbecken) gemeinsam mit der Eisenbahn ein äußerst lohnenswertes Motiv für den Nachbau im Modell, prädestiniert auch für die Great-BritN-Module. Ich hatte ja vor einigen Jahren (wie schon von Matthias angemerkt) ein kleines Kanalmotiv in ein Modul der Philtown Branch integriert, damals mit den Langley-Teilen. Natürlich entwickelt man sich im Modellbau auch mit der Zeit weiter und so würde ich heute manche Dinge anders machen. Aber vielleicht baue ich ja mal noch ein Great-BritN-Modul zu diesem Thema .
schönes Bildmaterial - ich hatte seinerzeit ebenfalls die Gelegenheit genutzt, von der Llangollen und der Churnet Valley Railway aus nahe gelegene Kanalsehenswürdigkeiten zu besichtigen - kann ich nur empfehlen - und bin u.a. zu Fuß über das Pontcysyllte Aqueduct gelaufen, wo mir auf dem ca. 1 m breiten Randstreifen neben der Fahrrinne in den gefühlten 30 m Höhe auch noch ein lebensmüder Radfahrer entgegengekommen ist.
Zitat von blackmoor_vale im Beitrag #2 Ich staune, woher du die Zeit dafür nimmst.
Das schreibe ich, wie alle längeren Freizeit-Schriftbeiträge, während der Pendlerfahrten in der Bahn auf meinem Schlepptop.