Zwischen April und Juni dieses Jahres (Q1 2015) wurde ein Rückgang der beförderten Güter um -17,7% von 5,56 Mrd. auf 4,58 Mrd. Netto-tkm im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres verzeichnet. Insbesondere die Kohlebeförderung sank um 61,2 % von 1,66 auf nur noch 0,64 Mrd. Netto-tkm. Weiterhin abgenommen haben die Beförderung von Metallstoffen (-9,1 %), Erdöl und Petroleum (-6,2 %) und inländischem Intermodalverkehr (-1,4 %). Eine Erhöhung der beförderten Güter war für Sonstige Güter (+9,5 %, einschließlich Biomasse, Hausmüll, und Post), Bau (+7,1 %) und Internationalen Transport (+7,0 %, beinhaltet Autoindustrie und intermodalen Verkehr durch den Kanaltunnel) zu beobachten
Das wundert mich überhaupt nicht. Wer die Trassenpreise nach Elastizität untersucht und meint, absichtlich die unelastischen Güter stärker zu bepreisen zu können, aber gleichzeitig verpflichtet ist, lange im Voraus alle Daten offenzulegen, dem verschwinden die Kunden.
Der Reihe nach: Network Rail ist ein privatwirtschaftliches Unternehmen. Das ist auch von der Politik auch so gewollt. Alle privatwirtschaftlichen Unternehmen müssen aber einen Geschäftsplan aufstellen, und das gilt für Network Rail ebenso. Die Gültigkeitszeiträume dieser Geschäftspläne werden Control Period genannt, aktuell sind wir in Control Period 5 (CP5) von 2014 bis 2019. Gewinn erzielt Network Rail natürlich hauptsächlich über die Trassenpreise.
In http://orr.gov.uk/__data/assets/pdf_file...712.pdf#page=20 wird eine Studie vom Office of Rail Regulation vorgestellt. Darin wurde untersucht, wie sich eine Verdopplung der Trassenpreise auf einzelne Güterverkehrsströme auswirkt. Man sieht die Einteilung in drei Gruppen: Kohle und Eisenerz als nicht so betroffene Güter, Halb- und Erzeugnisse als mittelstark betroffene und Container-, Müll- und Baustoffverkehre als stark betroffene. Auf der folgenden Folie wird das Ausmaß des zusätzlichen Straßenverkehres abgeschätzt. Wenn man diese Gruppen mal mit Markus' Posting vergleicht, dann sieht man, dass der Effekt wie prognostiziert eingetroffen ist, bloß die Größenordnung stimmt nicht.
Coal ESI bedeutet Electrical Supplies Industries, bezeichnet also Kohlestrom.
Das war 2012. CP5 ist natürlich längst in Kraft getreten, und das Konzept wurde in etwas milderer Form umgesetzt. Man kann sich die Trassenpreisgebühren unter http://www.networkrail.co.uk/cp5-access-...-price-list.xls ansehen, darin sind für jeden Lok- und Wagentyp in Kombination mit dem Einsatzzweck und ob er leer (T) oder beladen (L) ist, andere Preise angegeben. Die 5 Spalten mit langen Zahlen sind die jeweiligen Gebühren in Pfund pro kgtm (Erklärung unten) für die Jahre 2014/15 bis 2018/19. Wenn man mal in Zeile 1200 zu den HHA-Wagen scrollt, wird man feststellen, dass über den Zeitraum von CP5 die Preise ordentliche Zuwächse haben, teilweise 33%. Die Tabelle ist auch nützlich, um herauszufinden, welche Altfahrzeuge Network Rail überhaupt noch "kennt".
KGTM heißt "pro 1000 (= K) imperiale Tonnen (= gross tonnes, GT) und Meile (= M)". Das gesamte Zuggewicht geht da ein, das heißt die Wagen kosten in unterschiedlich schweren Zügen netto unterschiedlich viel. Wenige schwere Wagen, die auf dasselbe Gesamtgewicht wie viele leichte kommen, sind evtl. günstiger. Auch werden leichte Loks weniger bepreist als schwere, da sich KGTM immer auf das gesamte Zuggewicht bezieht, wobei natürlich schwere Loks mehr ziehen können.
Im Vergleich zu Deutschland ist das eine interessante Situation. In Deutschland wird bemängelt, dass DB Netz die Trassenpreise willkürlich festlegt und die EVU deshalb nicht planen können. In UK liegen die Trassenpreise offen, und die TOC können planen, es kommt hier aber das "falsche" dabei heraus.
Warum nun der Wegbruch des Kohleverkehrs in UK? Zum einen ist die Frage, auf welchem Verkehrsträger der Transport der eigenen Waren oder Rohstoffe stattfinden soll, für Unternehmen eine grundsätzliche. Schon die Standortwahl kann Schienenverkehr ausschließen, wenn ein Unternehmen sich abseits der Gleise ansiedelt. Ansätze wie in der Studie, dass eine Erhöhung der Preise zum Wegfall von Schienenverkehr führt, eine Senkung der Preise diesen aber zurückholt, treffen in der Realität nicht zu. Denn es schwingt bei der Frage Straßen- oder Schienenverkehr immer auch eine subjektive Komponente mit. LKW-Verkehr ist einfacher zu managen, man muss weniger "können", weniger über Verkehr "wissen". Gleisanschlüsse sind schnell abbestellt, dann werden sie i.d.R. vom Infrastrukturbetreiber auch abgebaut. Einen Gleisanschluss zu legen dauert dagegen Jahre und kostet Zeit, Geld und Nerven. Außerdem geht Vertrauen verloren, wenn sich ein Unternehmen von der Eisenbahn abwendet. Das ist hüben nicht anders als drüben. Und wenn die Ankündigung, dass es auch die nächsten Jahre nicht besser wird, einmal gemacht ist, dann ist es auch nicht verwunderlich, wenn der Kohleverkehr gleich fast komplett vom Bahnnetz genommen wird. 33% Preisanstieg in 5 Jahren, das grenzt an kalkulierten Vertrauensbruch. Einmal von der Schiene verschwundener Verkehr kommt jedenfalls nicht so schnell wieder zurück.
Interessant ist auch der Nebensatz, dass DBC momentan auf MMA wagons setzt, das ist im Prinzip eine britische (also kleinere) Version des hiesigen Eanos.
Das ist richtig, der EU-Zwang zur Einstellung der Kohlekraftwerke war der Auslöser für diesen Sturz, der bereits Ende 2014 began und in der aktuellen Massnahme abschließt. DBC steht da ja nicht allein da, einzig GBRf hat wohl weniger Probleme damit (relativ gesehen), da deren Schwerpunkt nicht in dem Maße auf Montan lag.