Hallo Nora,
Milk Tanks sind klassifiziert als "keine Personen transportierende Personenwagen", englisch "Non-Passenger Carrying Coaching Stock". Das bedeutet, dass diese Wagen nach Personenwagen-Baurichtlinien gebaut wurden und mit Personenzügen gekuppelt und mit Personenzuggeschwindigkeiten befördert wurden. Das wurde hauptsächlich durch besondere Federung und Reisezug-Puffer sowie -Schraubenkupplung ermöglicht. Ich habe im Britische Bahn Wiki mal einen Artikel über NPCCS geschrieben: http://britbahn.wikidot.com/npccs
In Deutschland gibt es auch so etwas vergleichbares, und zwar Autotransportwagen. Diese sind ebenfalls in der Personenzuggattung nach UIC eingruppiert. Die Wagen an sich haben z.B. Personenwagenpuffer und Scheibenbremsen, notwendig für den Einsatz zusammen mit Personenwagen.
Ansonsten sind Tankwagen ein sehr spezielles Thema, weil es keine Baureihen wie bei Lokomotiven gab. So wie es früher zweiachsige Milchtankwagen (Vorbildfoto) sowie Flachwagen für Milch-Straßenanhänger (Vorbildfoto) gab, gab es natürlich auch dreiachsige Öltankwagen (Vorbildfoto). Hornby hat daher mal einen Öltankwagen der schottischen Oakbank Oil Company auf Basis des Milchtankwagen-Modells herausgebracht (Modellfoto). Oakbank Oils war eine der Firmen, die in BP aufgingen (Vorbildgeschichte 1, Vorbildgeschichte 2) .
Insofern, wenn du einerseits über die Zeitlinie (der Dreiachser ist von ~1900, die Vermarktungsgesellschaft Shell Max & British Petroleum (SMBP) entstand 1932) und andererseits über das inkorrekte Chassis des Milchtankers hinwegsehen kannst, steht einem dreiachsigen BP-Öltankwagen nichts im Wege. Oakbank Oil hatte übrigens auch Vierachser (Vorbildfoto).
Zitat von McRuss im Beitrag #2
Für Chemikalien und Treibstoffe wurden spezielle Wagen beschafft. In Era 3 waren für Chemikalien durchaus sogenannte Rectanks unterwegs, also Kesselwagen mit einem rechteckigen Aufbau. Für Öl und Benzin wurden in Era 3 bis 5/6 zunächst die von den Modellbahnerstellern gerne produzierten 14 ton Tankwagons verwendet. Aber schon in Era 4 wurde langsan begonnen diese Bauart durch neuere Bauarten zu ersetzen. So entstanden z.B. der Anchor Mount Tankwagon, später dann in den 50er Jahren kam der A und B Class 35ton Tankwagon und später in dern 50er/60er Jahren der noch heute verwendete 45 Tonnen TTA (zweiachsig) und dann auch die vierachsigen TEA Tankwagen zum Einsatz. Die Milchtanker sind soweit ich weiß dann Anfang der 70er Jahre ausgemustert worden.
Hier muss ich doch einiges korrigieren. Diese Beschreibung ist doch stark von der Modellauswahl geleitet und verzerrt die Wirklichkeit etwas.
Also zunächst zu den Milchtankwagen. Etwa die Hälfte aller Wagen hatte die Be- und Entladevorrichtung in der Mitte und deswegen einen Knickkessel. Im Modell gibt es nur solche Wagen zu kaufen, vermutlich weil im NRM nur ein Wagen solchen Typs erhalten blieb. Die andere Hälfte der Wagen hatte einen konischen, schräg stehenden Kessel mit Ladeluke an einem Ende und Entladestutzen am anderen Ende (
Vorbildfoto 1,
Modellfoto 2).
Abgesehen von Milchwagen waren die anderen Tankwagen immer Privatwagen. Das heißt, zuerst war die Fracht da, dann das Unternehmen, welche diese befördern wollte und dann der Wagenbauer, der den passenden Wagen dafür baute. Im Gegensatz dazu stehen die Eisenbahn-eigenen Wagen, die immer für mehrere Zwecke verwendbar sein sollten.
Wagenbauer gab es sehr viele damals, und Ölunternehmen auch. Gängige Tankwagengrößen waren um 1900 10T, 12T und 14T, um 1920 herum 12T, 14T und 20T. Die Unterschiede liegen im Fassungsvermögen, aber auch im Achsdruck. Welche Tankwagengröße eine Firma bestellte, hing von deren Strategie ab, da sie in ihren Werken auch immer die dazu passenden Gleisanlagen vorhalten musste.
Tankwagen dürfen nicht nur halb beladen werden, da der Inhalt ansonsten schwappt. Dies gilt weltweit und zu jeder Epoche. Aus demselben Grund trinkt man beim Autofahren ja auch nicht aus Tassen, denn das schwappt auch. Mit sogenannten Schwallblechen kann man allerdings erreichen, dass hinreichend ähnliche Stoffe auch dann geladen werden können, wenn die Gewichtsgrenze erreicht ist und der Wagen noch nicht ganz voll. Außerdem muss eh immer eine Sicherheitsreserve Luft übrig gelassen werden, da sich Flüssigkeiten bei Sonneneinstrahlung ausdehnen. In Ludwigshafen ist 1948 mal ein Kesselwagen explodiert, weil er in der Sonne vergessen wurde (
Link zum Wikipediaartikel).
Deshalb gehört immer, wie Mirko richtig feststellte, ein bestimmtes Ladegut zu einem Tankwagen. Daraus bestimmt sich das Volumen. In 00 gibt es (im Falle von Oxford Rail: wird es geben) 3 verschiedene Modelle mit verschiedenen Kesseldurchmessern aus dieser Zeit. Diese werden mit Tonnenangaben versehen, allerdings ist es Schwachsinn, ein Modell anhand der Tonnenzahl zu unterscheiden, weil ja im Modell der Kesseldurchmesser das Modell auszeichnet und das Gewicht vom Ladetyp abhängt. So ist der von Oxford Rail so genannte "12T Tanker" mit kleinem Kesseldurchmesser mit der Aufschrift 10T bedruckt (
Modellfoto). Von Bachmann gibt es den als "14T" bezeichneten Tankwagen mit mittlerem Durchmesser (
Modellfoto) und von Hornby den als "20T" bezeichneten Tankwagen mit großem Kessel und längerem Radstand (
Modellfoto).
Rechteckige Tankwagen gab es auch, diese wurden aber im Gegensatz zu den restlichen Tankwagen nur von Charles Roberts gebaut und auch nur für Schweröl und Teer/Bitumen verwendet. Diese Tankwagen waren besonders schwer zu befestigen, weil der rechteckige Tank wie ein Stück Butter auf dem Chassis gleitet. Deshalb waren diese rechteckigen Tankwagen besonderen Geschwindigkeitseinschränkungen unterworfen. Der englische Begriff lautet übrigens
Rectangular Tank Wagon, während der Begriff Rectank einen Panzertransportwagen aus dem ersten Weltkrieg bezeichnet (
Vorbildfotos).
Um die Anchor Mounted Tanks erklären zu können, muss ich kurz auf die Tank-Befestigungsart eingehen. Der runde Tank wurde aus Eisenplatten hergestellt, welche vernietet wurden. Schweißen konnte man noch nicht. Das Bachmannmodell gibt die Nieten gut wieder. Das Chassis hat Sattelstühle, auf denen der Kessel ruht. Nun muss der Kessel gegen zwei verschiedene Bewegungsarten gesichert werden, zum einen "Auf und Ab" ("hopsen") und zum anderen "Vor und Zurück" ("schlittern"). Dies wurde mit Seilen, Bändern und Zugstangen gemacht. Gegen Auf- und Abbewegungen wurden zwei Seile vom Chassis kommend oben um die Luke geschlungen und/oder Bänder rechts und links gerade um den Kessel geführt. Das Bachmannmodell vom "14T" Tankwagen hat beides, allerdings sind die Bänder in der Kesselform mit drin und fallen dem ungeübten Auge nicht so auf. Dieses
Vorbildfoto hat nur die Bänder, das linke Band führt zwischen dem "Write for" und dem "Prices" hindurch. Gegen Längsbewegungen sind die π-förmigen Balken am Wagenende angebracht, welche mit diagonalen Zugstangen am Chassis festgemacht sind. Einige Tankwagen hatten auch waagerechte Stangen, welche beide Enden verbanden, dies ist jedoch bei längst nicht allen Tankwagen so gewesen.
Seile – diagonal um den Auslass, kreuzen sich, gegen Vertikalbewegungen
alternativ Bänder – senkrecht um den Kessel, gegen Vertikalbewegungen
Zugstangen – diagonal von den
Endstocks zum Chassis, gegen Longitudinalbewegungen
Mit der Niettechnik muss das zu befestigende Element durchlocht werden. Beim Kessel wurde das nur höchst ungern gemacht, weil Nieten eine potenzielle Schwachstelle sind. Daher sind Befestigungen direkt am Kessel, englisch
Anchor Mounted, mit dieser Technik fast gar nicht gemacht worden, weil die Nietstellen regelmäßig undicht wurden. Mit Aufkommen der Schweißtechnik wurde das aber möglich, und so stellt das kürzlich erschienene Bachmannmodell eines Anchor Mounted Tanks (
Modellfoto) einen geschweißten Wagen dar. Bachmann beschriftet diesen Wagen nicht nur als 14T, sondern auch als 20T:
Modellfoto. Metallschutzgasschweißen ist übrigens ein britisches Patent von 1935:
Link zur Wikipedia. Das Petroleum Board ließ Achor Mounted Wagons 1942 offiziell zu.
Bis jetzt haben wir noch nicht über Bremsen gesprochen. Ölfirmen haben kein Interesse daran, wie lange ein Blockabschnitt durch einen Güterzug belegt bleibt, daher hatten die Tankwagen (wie auch alle anderen Privatwagen) keine durchgehende Bremse (Eine Handbremse hatte natürlich jeder Wagen). In den 50er Jahren ist es Esso (Der Name S.O. kommt von Standard Oil, dem ehemaligen amerikanischen Rockefeller-Ölimperium) zuzuschreiben, als erstes vakuumgebremste Wagen geordert zu haben, hauptsächlich weil sie das Programm von British Railways, die eisenbahneigene Güterwagenflotte mit Vakuumbremsen nachzurüsten, verfolgt und auch von den vermehrt mit durchgehender Bremse verkehrenden, schnelleren Güterzügen profitieren wollten. Die Variantenvielfalt ist auch hier groß, jede Ölfirma hatte eigene Wagen, aber die Modellbahnindustrie hat mit Dapol (Bausatz), Heljan und Oxford immer wieder beschlossen, diese Esso-Wagen als Vertreter dieser Epoche nachzubilden (
Modellfoto,
Vorbildfotos). Das beladene Gewicht dieser Wagen beträgt 35T, weil zwischenzeitlich Achslasten von 17,5 Tonnen möglich geworden sind (
heutzutage sind es 25,5 Tonnen). An Fracht konnten sie 22T laden.
Wichtig zur Klassifizierung sind die Einteilung nach Class A, B und C. Diese beziehen sich auf das vorgesehene Ladegut. Class A bedeutet Flammpunkt unter 73°F (23°C), Class B bedeutet darüber. Class C bedeutet Flammpunkt über 141°F (60 °C) und werden nur selten erwähnt. Milch wäre daher ein Beispiel für ein Class C good. Diese Regeln stammen vom RCH und aus 1902. Erst vier Jahre zuvor wurde überhaupt ein Auslassventil vorgeschrieben, vorher war es eher ein Stopfen. Zwischen 1907 und Mitte der 1950er Jahre waren Auslassventile am Kesselboden verboten, weil die damaligen Ventile nicht hinreichend dicht waren.
Zum Entladen ist immer die Luke zu öffnen, damit von oben Luft einströmen kann. Ansonsten würde man durch das Entladen ein Vakuum erzeugen, das den Wagen zerstört.
Hier ist ein Video von einem Test.Class A tanks mussten seit 1907 grau oder weiß mit rotem Streifen entlang des Chassis gehalten sein, Class B tanks sollten komplett schwarz sein. Spezielle Regeln gab es später für andere nicht so gefährliche Stoffe wie Flüssiggas, aber ansonsten (z.B. bei Chemikalien) war die Farbgebung freigestellt.
Bachmann stellt den "14T" in zwei Varianten her, mit großem und kleinem Filler. Bei ersterem handelt es sich um eine große Luke, unter der die Einlassöffnung, die auch für Wartungszwecke verwendet wurde, und das Ablassventil angeordnet waren. 1927 wurde die Konstruktion geändert, die große Luke wurde weggelassen und die Einlassöffnung von 2ft 6in auf 1ft 4in verkleinert. Das Ablassventil ist im Modell nur bei den Wagen mit kleinem Filler zu sehen, denn bei den Wagen mit großem Filler war es ja unter der Luke. Der Bachmann "20T" geschweißte Tankwagen hat das Ventil ebenfalls, während bei den Essotankwagen aus den 50ern nur das Handrad zum Betätigen des
Bottom Valves zu sehen ist. Letztere gehören zur ersten Generation an Wagen, bei denen wieder der Auslass unter dem Wagen angeordnet werden durfte. Während das RCH zwar Vorschriften über die Gefahrgutklassen machte, sind die Tankwagen-Diagrams von 1907, 1911 und 1927 eher als Mitschriften der gängigen Wagenbaupraxis zu sehen.
Zu beachten ist, dass Bachmann durchaus auch Tankwagen für Teer/Bitumen auf Basis ihrer "14T" Form herausgebracht haben. Dieses Class B Produkt ist so dickflüssig, dass es bei Normaltemperatur erstarrt. Deshalb haben diese Tankwagen Heizrohre, welche im Modell nicht nachgebildet sind, weil die verwendete Form es nicht hergibt. Würde man in einen Wagen ohne Heizrohre Bitumen einfüllen, würde man es nicht wieder herausbekommen. Bitumen ist die zähflüssige Masse, die beim Destillieren von Rohöl zurückbleibt. Es gibt heute nur eine größere Anwendung dafür: Mit Steinen zu Asphalt mischen. Wenn du bisher dachtest, dass Erdöl in den Tank von Autos kommt: Nein nein, es wird auch zum Straßenbau verwendet!
Von Crude Oil Distillation-fr.svg: Image originale:Psarianos, Theresa knott ; image vectorielle:Rogilbert
derivative work: Leyo - Crude Oil Distillation-fr.svg, CC BY-SA 3.0, Link
In dieser Grafik aus der Wikipedia wird deutlich, um welche Produkte es geht. Kerosin und Petroleum sind Class A goods und Treiber der Erdölproduktion damals. Flüssiggas ist damals gar nicht gewonnen worden, weil es dafür noch keine Abnehmer gab. Diesel, Heizöl und alles was darunter kommt sind Class B goods. Zu den Stoffen ist zu sagen, dass diese sich meist nur im Mischungsverhältnis verschiedener Kohlenwasserstoffe unterscheiden und daher ineinander übergehen können. Bei den Leunawerken bei Halle gibt es ein Tanklager neben der Bahn-Beladestelle, und dieses Lager hat einen großen Tank pro Produkt plus einem "Abfall-Tank". Es gibt aber nur eine Leitung zwischen der Raffinerie und dem Lager, durch das nacheinander die Produkte hindurchgeleitet werden. Ist die Lieferung eines Produktes aus dem Zwischentank bei der Raffinerie beendet, dann wechselt die Leitung auf ein anderes Produkt. Das zwischenzeitlich entstehende Stoffgemisch wird in den "Abfall-Tank" geleitet. Dieser wird mit LKW zurück zur Raffinerie befördert und wieder "vorne hereingekippt", also erneut raffiniert. Dies ist ein kontinuierlicher Prozess, eine Raffinerie kann nur unter größeren Maßnahmen angehalten werden.
Schmieröle entstehen so wenige, dass man dafür nur sehr wenige Tankwagen brauchte. Es gab sogar Tankwagen, die mehr als eine Sorte Schmieröle transportieren konnten (
Vorbildfoto). Wachse, Bitumen und Koks brauchten Tankwagen mit Heizleitungen. Vor dem Aufkommen des Straßenbaus in größeren Dimensionen in den 1930er Jahren wurden diese aber auch einfach vor Ort abgebrannt, so wie das anfallende Gas.
Rohöl selbst ist übrigens auch ein Class B good. Die verschiedenen Ölgesellschaften bezogen ihr Öl aus verschiedenen Teilen der Welt, meist kam dies auch im Namen der Gesellschaft zum Tragen (Anglo-American Oil, Anglo-Persian Oil, Anglo-Russian Oil, Burmah Oil, Mexican Eagle, Royal Dutch Shell usw.). Wegen unterschiedlicher Schwefelanteile kann man diese nicht mischen, ansonsten flockt das Gemisch ähnlich wie wenn man Zitrone in Milch gibt. Die Unternehmen betrieben damals in England ein eigenes Tankstellennetz, denn die damalige Raffiniertechnik schaffte es nicht ganz, die unterschiedlichen Schwefelanteile komplett herauszufiltern. Als Autofahrer musste man sich in den 1930ern auf eine Marke festlegen. Bis heute sind Öltanker auf den Weltmeeren auf eine Rohölsorte festgelegt, weil das Auswaschen eines ganzen Tankschiffes einfach zu lange dauern würde. Öl aus der Nordsee heißt Brent und hat einen recht niedrigen Schwefelanteil.
Von BoH - Eigenes Werk
Based on Leonardo Maugeri, The Age of Oil. The Mythology, History, And Future of the World's Most Controversial Resource, pp. 275-276, CC BY-SA 3.0, Link
Außerhalb der Ölindustrie gab es noch Chemietankwagen. Dies sind i.d.R. Einzelstücke, weil der Bedarf nicht so groß ist. Imperial Chemical Industries (ICI) hatte z.B. diesen frühen Tankwagen im Bestand:
Vorbildfoto,
Modellfoto. Aus moderneren Zeiten stammt der BOC-Tankwagen für Stickstoff und Sauerstoff:
Modellfoto. Äußerlich sind diese Chemietankwagen an den Wartungsluken am Ende erkennbar, die für die Innenreinigung notwendig sind. Bei Chemietankwagen ist es mit einem Ausspülen nämlich nicht getan.
Die TOPS-Codes für Tankwagen geben das beladene Gesamtgewicht (englisch
Gross Loading Weight (GLW)) an. TR bedeutet 20 bis 29 Tonnen, darunter fallen die Milchtankwagen. TS bedeutet 30 bis 39 Tonnen, die Essotankwagen und ähnliche sind das. TT bedeutet 40 bis 49 Tonnen, dazu gehören z.B. alle seit den 1960ern gebaute 45T-Tankwagen für 22,5 Tonnen Achslast. Es gibt inzwischen auch TU-Wagen mit 51 Tonnen GLW für die gegenwärtigen 25,5T Achslast. Für Vierachser gilt, dass TC für 80 bis 89 Tonnen steht, das sind die meisten Chemietanker. TD steht für 90 bis 99 Tonnen, dazu gehören die gleichzeitig mit den ersten TTA in den 1960ern gebauten frühen druckluftgebremsten Drehgestelltankwagen. Heutige Tankwagen werden mit TE bezeichnet und haben 102 Tonnen GLW. Der ICI-Chemietankwagen aus dem vorigen Absatz war übrigens für 10T Achslast ausgelegt und hätte nur 40T GLW gehabt.
Zitat von Class150 im Beitrag #3
Es gibt auch sehr spezifisch schwere Chemikalien - als ein Beispiel Schwefelsäure - die entweder ebenfalls dreiachsige Wagen hatten oder sehr kleine Tanks, entweder zylindrische "Rohre" oder flache, rechteckige Tanks.
Die schwersten mir bekannten Wagen sind für Brom. Brom ist so flüchtig, dass es in Bleitanks gelagert werden muss. Entsprechend klein sind die Tanks (
Vorbildfoto). Brom ist über den Umweg des bleihaltigen Benzins mit der Ölindustrie verbunden. Verbrennungsmotoren saugen das Kraftstoff-Luft-Gemisch an einer ganz bestimmten Stelle in die Brennkammer ein, und die Zündkerze entzündet dieses dann. Dies soll möglichst überall gleichzeitig passieren, das geht aber nicht so ohne weiteres, weil durch die Ausdehnung der Brennkammer in einem Verbrennungsmotor die Verbrennung nur in der Nähe der Zündkerze vollständig abläuft. Um dem entgegenzuwirken, braucht man ein Antiklopfmittel, welches im wesentlichen Freie Radikale im Motor freisetzt. Nun kann man Freie Radikale nicht einfach herstellen, weil diese nicht stabil sind, daher braucht es einen Stoff, welcher Freie Radikale bei Verbrennung freisetzt. Als einen solchen hat man früher Tetraethylblei verwendet. Ein Molekül besteht an einem an ein Bleiatom gebundene vier (= tetra) Freie Radikale (= Ethyl).
Von Bert.Kilanowski - Eigenes Werk, CC0, Link
Pb bedeutet und Blei und steht für Plumbum; man sagt, dies wäre das Geräusch, das Blei macht, wenn es herunterfällt. Das Problem dabei ist, dass Blei hochgiftig ist und nach dem Emittieren der Freien Radikalen in Form von Bleioxid zurückbleibt. Das ist nicht nur hochgiftig, sondern verklebt auch den Motor. Daher wird 1,2-Dibromethan dem Benzin dazugegeben, damit sich das Blei und das Brom zu Blei(II)-bromid verbinden, einem flüchtigen Salz, das mit den Abgasen zusammen ausgestoßen wird.
Von Chem Sim 2001 - Eigenes Werk, Gemeinfrei, Link
Brom ist ein Element und kann daher nicht hergestellt werden. Es kommt überall auf der Welt als Spurenelement vor. Im Wesentlichen wird Meerwasser angesaugt und nach Destillieren alles das zurück ins Meer geleitet, was nicht Brom ist. Ich bezeichne daher die Bromgewinnung scherzhaft als Brom-"Fischen", denn beim Angeln geht es ja auch darum, vom Wasser-Fisch-Stoffgemisch das Wasser abzuscheiden.
Es war eine Zeit lang Alleinstellungsmerkmal von Wales, außerhalb von China der einzige Gewinner von Brom zu sein. Die Bromtankwagen sind Fährbootwagen und kamen z.B. auch regelmäßig nach Leuna. 1988/89 wurde in halb Europa bleihaltiges Benzin verboten, daher wurde die Produktion von Bleibenzin europaweit in Thameshaven, Kent, zusammengezogen. Das sorgte zwar dafür, dass die Bromwagen nur noch innerhalb Großbritanniens verkehrten, aber der Fährbootverkehr von Chemietankwagen mit Bleibenzin nahm dadurch zu.
Ich würde mir RTR-Modelle von diesen Chemietankwagen wünschen. Paul Bartlett hat eine tolle Auswahl möglicher Formen:
Vorbildfotos.
Ansonsten wären Class-B-Tankwagen genieteter und geschweißter Bauart mit Heizrohren für Bitumen ganz toll.
Für diesen Beitrag habe ich hauptsächlich das Buch "Oil on the Rails" von der Historical Model Railway Society (HMRS) verwendet.
Viele Grüße
Felix