mir drängt sich der Eindruck auf, dass das britische Franchisesystem u.a. auch den Zweck hat, dass man immer jemanden als den Schuldigen dastehen lassen kann. Die aktuell angespannte Personalsituation bei Northern kommt von den Schulungen für die neuen Baureihen, welche zu spät geliefert wurden, weil zu spät bestellt wurde. Und für das Bestellen ist das Department for Transport zuständig, nicht die Betreiber. Demzufolge verbessert eine Neuvergabe genau nichts.
Naja, die Misere mit der Northern-Franchise setzt sich wie folgt zusammen:
1. Fahrplanwechsel im Mai 2018, welcher zu massiven Einschränkungen und Ausfällen führte weil a) die Elektrifizierung der Strecken (Preston nach Blackpool North) nicht abgeschlossen war, was aber notwendig für den Fahrplanwechsel war b) seitens Network Rail bis zuletzt (Januar 2018) versichert wurde, dass die Infrastrukturarbeiten abgeschlossen sein werden und der Fahrplan durchführbar sei c) die Fahrzeuge dann im Endeffekt nicht mehr ausreichten, die geplanten Wendungen durchzuführen
2. Die Verzögerung bei der Auslieferung der Class 195 und 331
3. Die bestehende Flotte sehr alt und (insbesondere die massive Anzahl an Pacern) beim zahlenden Publikum nicht sehr beliebt sind - und die mit dem Planwechsel versprochenen Kapazitäts- und Komfortverbesserungen nicht umsetzbar waren
4. Jetzt die neue Flotte (195/331) schnell in Betrieb genommen werden muss, weil die alten Fahrzeuge a) nicht TSI-PRM-konform sind und keine oder nur eine sehr geringe Übergangsfrist genehmigt ist b) die Politik massiven Druck auf die Ausmusterung der Pacer ausübt c) dadurch eine hohe Anzahl von Tf und Guards trainiert werden muss, was zu Folgeausfällen im bestehenden Verkehr führt
5. Der Ordsall Chord (https://en.wikipedia.org/wiki/Ordsall_Chord) als Verbindung von Manchester Victoria und Piccadilly nicht die Kapazität hergibt, die für die Strecke derzeit verplant ist, in der Folge sind hier (nicht nur) für Northern massive Verspätungen mit Auswirkungen auf die Folgewendungen zu verzeichnen. Als Result müssen mehr Fahrzeuge als geplant eingesetzt werden, um die Wendungen abzudecken -> mehr Staff und mehr Fahrzeuge sind also erforderlich. Betroffen sind alls Northern-Verkehre nach Victoria, Liverpool Lime Street, Manchester Piccadilly (von Westen) und Manchester Airport.
6. Die Rolle der Train Guards in Verhandlung mit den Gewerkschaften steht
Für die Punkte 1 bis 4 kann der derzeitige Betreiber Arriva gar nichts. Die Auswirkungen wären genau gleich gewesen bei jedem anderen privaten oder staatlichen Betreiber. Die Franchise wurde zum 1.April 2016 übernommen - zunächst gab es dann Prüfungen des Vergabeverfahren durch die Competition and Markets Authority, ob die Vergabe zulässig sei (aus Wettbewerbsgründen, da Arriva auch viele Busse in Nordengland betreibt und CrossCountry ebenfalls eine Arriva-Firma ist). Die Planungen für den Fahrplanwechsel Mai 2018 beginnen detailliert im Frühjahr 2016 - also direkt nach der Übernahme der Franchise. Die Vorarbeiten dazu dürften sogar noch vom Vorbetrieber stammen - den will ich aber ebenfalls nicht an den Pranger stellen, da zu diesem Zeitpunkt nicht abzusehen war, dass die Elektrifizierungen hinterfragt und letztlich auch dadurch zu spät fertiggestellt wurden. Der Fahrplanwechsel geht meiner Ansicht nach komplett auf das Konto Government / Network Rail.
Die Anforderung der Flottenverjüngung wurde durch das Government an den (bis dahin noch nicht bekannten) neuen Betreiber der Franchise im Jahr 2015 gestellt. Arriva war hier sehr schnell, bereits im April 2016 wurde bekanntgegeben, dass CAF die neuen Fahrzeuge bauen wird. Die Konstruktion begann im Juli 2017 - für Eisenbahnfahrzeuge sehr schnell. Fachleute sind nicht davon überrascht, dass die Inbetriebnahme nicht so schnell vorgenommen werden konnte wie erhofft.
Punkt 5 haben Fachleute bereits vor der Inbetriebnahme vorhergesehen - dennoch wurden die Trassen so erstellt seitens Network Rail. Eine (weitere) Ausdünnung der Services seitens Northern war aber aufgrund der Franchise-Verträge nicht möglich. Auch hier behaupte ich, dass es selbst mit einem OLR ähnlich zugehen wird (in UK werden Fahrzeuge und Staff bei einem Betreiberwechsel 1:1 übernommen). Insbesondere Tf sind auch in UK sehr knapp (trotz 62 kEUR/50 kGBP Jahres-Einstiegsgehalt). Weitere Tf fallen also auch bei einem anderen Betreiber nicht vom Baum.
Einzig Punkt 6 ist sicherlich etwas, worauf Arriva Einfluss hat - das Thema ist aber kein Northern-Thema an sich, sondern auch national zu sehen. Da gibt es dann Companies wie Southern, die etwas rigoroser damit umgehen und mehr Streiktage haben oder eben Arriva und andere, die etwas gemäßigter agieren. Streiks sind aber auch hier nicht immer abzuwenden.
Fazit ist hier für mich, dass mit Arriva ein Sündenbock gefunden ist, um vom fehlsteuernden Einfluss des Staates abzulenken. Kein Betreiber hätte die Franchise in einer anderen Qualität betreiben können bislang. Jetzt sind die neuen Fahrzeuge da, das Personal wird geschult und wenn ein OLR den Laden jetzt übernimmt, dann wird es für den Kunden ganz zwangsläufig schnell besser - das würde es mit Arriva aber ebenfalls werden.
Zum 1/3/20 übernimmt der Staat in Form des Department for Transport mit dem Operator of Last Resort (OLR) in Form der Northern Rail Ltd die Verkehre von Arriva Rail North.
News at 10 scheint zu spät zu sein, um Neuigkeiten zu verkünden. Ich muss wohl auf News at 6 umsteigen
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Zitat Briten mit überraschenden Bahnplänen Die Folgen der in den 1990ern erfolgten Bahnprivatisierung in Großbritannien treiben nun sogar die konservative Regierung zu erstaunlichen Maßnahmen: Sie will noch diese Woche einen Teil der britischen Bahn wiederverstaatlichen. Northern ist am Schienennetz und an Zugsverbindungen gemessen der größte private Anbieter in Großbritannien. Die Services der zur Deutschen Bahn gehörenden Betreiberfirma Arriva seien „vollkommen inakzeptabel“, sagte Verkehrsminister Grant Shapps.
Das ist gleich doppelt falsch: Weder kommt es überraschend, denn Chris Grayling und sein Nachfolger Grant Shapps hauten schon seit einer Weile in die Kerbe "Northern ist schuld" (was nicht stimmt, siehe Yorkshire Lads Post dazu weiter oben), und außerdem ist eine Wiederverstaatlichung doch unterscheidbar etwas anderes als einen Franchisenehmer von seinem Vertrag zu entbinden und dafür ein anderes, dem Ministerium unterstehendes Verkehrsunternehmen einzusetzen. Als DRS die Ford-Autozüge mit STVA-IPA-Wagen von DBS übernahm, hat auch keiner von einer Verstaatlichung der Bahn geredet .